Querelen bei der Bundeswehr:Von der Leyens Frühjahr des Ärgers

Der Fall Franco A., Rechtsextremismus in der Truppe, Probleme mit Rüstungsprojekten: Die Verteidigungsministerin muss derzeit viel Kritik einstecken. Das erinnert an die Zeit von vor vier Jahren.

Von Christoph Hickmann, Berlin

Es sind nur noch wenige Monate bis zur Bundestagswahl, die Bundeswehr ist sauer über ihre politische Führung, im Wochenrhythmus dringen neue, teils erschreckende Erkenntnisse nach außen - und in Berlin werden erste Wetten darauf abgeschlossen, wer nach der Wahl wohl den Posten an der Spitze des Verteidigungsministeriums übernehmen könnte.

So war das vor vier Jahren.

Der Verteidigungsminister hieß damals, im Frühjahr und Sommer 2013, Thomas de Maizière, und der Christdemokrat erlebte die bis dahin wohl unerfreulichsten Monate seiner Karriere. Die wegen der Bundeswehrreform ohnehin gereizte Truppe hatte er mit einem Interview gegen sich aufgebracht, in dem er den Soldaten empfahl, sie sollten aufhören, "dauernd nach Anerkennung zu gieren".

Zudem hatte er sich in einer Debatte über Kampfdrohnen verheddert. Und im Mai 2013 machte er das Scheitern der Aufklärungsdrohne Euro Hawk öffentlich, worauf wochenlang Negativschlagzeilen und ein Untersuchungsausschuss folgten. Nach der Bundestagswahl musste der Christdemokrat dann sein Amt an die Parteifreundin Ursula von der Leyen abgeben. Doch die erlebt nun, vier Jahre später, ein ähnliches Frühjahr.

Natürlich ist der Fall des rechtsextremen, mutmaßlich zu tödlichen Anschlägen entschlossenen Offiziers Franco A. und seiner Gesinnungsgenossen in der Sache nicht ansatzweise mit dem vergleichbar, was de Maizière einst erlebte. Und doch hat so mancher Offizier, der schon damals im Ministerium dabei war, dieser Tage das eine oder andere Déjà-vu-Erlebnis.

Wieder geht es um die Frage nach der politischen Verantwortung. Zwar gibt von der Leyen im Fall Franco A. die entschlossene Aufklärerin - muss sich aber von der Opposition wie vom Koalitionspartner SPD unter anderem vorhalten lassen, dass unter ihr die politische Bildung der Soldaten zu kurz gekommen sei, dass sie sich für das Phänomen Rechtsextremismus in der Truppe bislang nicht interessiert habe und dass der Militärische Abschirmdienst (MAD) unterbesetzt sei.

Distanz zwischen Ministerin und ihren Soldaten

Wieder sind weite Teile der Truppe aufgebracht - diesmal entzündet sich der Unmut am "Haltungsproblem" und der "Führungsschwäche", die von der Leyen der Bundeswehr attestiert hatte. Am Dienstagabend war die Distanz zwischen den Soldaten und ihrer Ministerin bei einem Empfang des Reservistenverbands Thema in vielen Gesprächen.

Zudem, so drückt es der SPD-Verteidigungsexperte Rainer Arnold aus, habe von der Leyen "die Misstrauenskultur in der Bundeswehr verstärkt" und "auf die Spitze getrieben", indem sie sämtliche Kasernen nach Wehrmachtsdevotionalien durchsuchen ließ. Übrigens ist das derselbe Abgeordnete Arnold, der schon Thomas de Maizière das Leben schwer gemacht hat - da allerdings noch aus der Opposition heraus.

Vorwurf der "Selbstverteidigungsministerin2

Und wieder gibt es Probleme im Rüstungswesen, die noch oben drauf kommen. Auch unter von der Leyen verzögern sich zentrale Großprojekte. Das ergibt eine Gemengelage, über die ein Ministeriums-Insider mit Blick auf die Spätphase von de Maizière sagt: "Es ist wie damals - momentan wird beinahe alles, was mit Bundeswehr zu tun hat, zur Negativ-Nachricht."

Am Mittwoch versuchte von der Leyen, andere Nachrichten dagegenzusetzen. Aus der Sitzung des Verteidigungsausschusses, an der sie teilnahm, drang unter anderem die Neuigkeit, dass Disziplinarverfahren gegen jene beiden Verantwortlichen eingeleitet wurden, die Franco A. trotz einer eindeutig von rassistischem Gedankengut durchsetzten Masterarbeit vom Verdacht entlastet hatten, es handele sich dabei um seine Gesinnung - mit dem Ergebnis, dass der MAD nie von der Sache erfuhr.

Außerdem ging es um weitere Wehrmachtsdevotionalien, die bei der Durchsuchung sämtlicher Kasernen gefunden wurden. Unter anderem tauchte eine Münze mit einem Wehrmachtssoldaten auf. Allerdings sei unter den Funden nichts gewesen, was "vergleichlich" mit dem gewesen sei, was an den Standorten Donaueschingen und Illkirch zum Vorschein gekommen sei, sagte von der Leyen nach dem Ausschuss.

In Illkirch war ein ganzer Raum unter anderem mit Landser-Abbildungen dekoriert gewesen. Außerdem stellte von der Leyen noch einmal klar, dass es ihr nie darum gegangen sei, die Truppe unter einen Generalverdacht zu stellen - "sondern um Aufklärung".

Härtester Schlag: Vergleich mit zu Guttenberg

Die Linken-Politikerin Christine Buchholz stellte die Frage, wie viel denn vor den Durchsuchungen womöglich noch beiseite geschafft worden sei. Und SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz, selbst derzeit eher in der Defensive, arbeitete sich ebenfalls an der Ministerin ab: Es habe sich der Eindruck einer "Selbstverteidigungsministerin" verstärkt, die sich "in umfassender Form ihrer Führungsverantwortung zu entziehen versucht", so der SPD-Chef.

Den härtesten Schlag dürften von der Leyen allerdings die Grünen versetzt haben. Deren Verteidigungsexpertin Agnieszka Brugger hielt ihr am Mittwochnachmittag im Bundestag vor, es gebe den breiten Eindruck, "dass für Sie die Profilierung und Inszenierung im Vordergrund stehen". Die Ministerin erinnere sie "sehr an einen Ihrer Vorgänger".

Dann allerdings nannte Brugger nicht den Namen des beflissenen, aber letztlich erfolglosen Thomas de Maizière. Sondern den des äußerst umtriebigen, aber am eigenen Blendwerk gescheiterten Karl-Theodor zu Guttenberg.

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