Putin und der Ukraine-Konflikt:Logik der Abschreckung

Russia's President Vladimir Putin speaks at a news conference at the end of the G20 summit in Brisbane

Russlands Präsident Wladimir Putin beim G-20-Gipfel in Brisbane.

(Foto: REUTERS)

Der Ukraine-Konflikt kann nur eingedämmt werden, wenn die alten Regeln der Abschreckung funktionieren. Russland und der Westen müssen einen Gleichstand des Schreckens erreichen. Das wird nur mit Hilfe von Sanktionen gelingen.

Von Stefan Kornelius

Es ist falsch zu behaupten, dass niemand auf Putin höre. Das Gegenteil ist der Fall. Der russische Präsident äußert sich ausführlich in Interviews, er spricht stundenlang mit den anderen politischen Führungsfiguren der Welt, er nutzt alle erdenklichen Kanäle im Netz, um direkt oder indirekt seine Weltsicht zu artikulieren. Hören kann man Putin also laut und deutlich, man kann seine Position sogar erklären. Aber kann man Verständnis dafür aufbringen oder Putins Sicht gar teilen?

Dessen Botschaft lautet im Kern: Ihr habt die russische Einflusszone missachtet, wundert euch also nicht, wenn hier ein Konflikt entsteht. Gleichzeitig streitet er ab, dass er selbst diesen Konflikt schürt. Damit stempelt er den Westen zum Aggressor und versetzt sich selbst in die Rolle des Opfers.

Zwei erhebliche Probleme bleiben bei dieser Form der Kommunikation: Erstens gibt es seit Monaten eklatante Widersprüche zwischen Putins Worten und Taten, was den Unfrieden und den Deutungskrieg weit in die Gesellschaften des Westens hineinträgt.

Wer glaubt Putin noch?

Die grünen Männchen auf der Krim - russische Soldaten, wie Putin inzwischen eingestand. Die vielen Kämpfer in der Ostukraine - russische Soldaten auf Urlaubsausflug, von denen viele nicht zurückgekehrt sind. Der nicht enden wollende Nachschub an schweren Waffen für die sogenannten Separatisten - sie rollen ungehindert über die Grenze. Das steigert das Misstrauen inzwischen ins Unermessliche. Wer also glaubt dem Präsidenten noch?

Viel schwerer aber wiegt das politische Weltbild, das Putin leitet. Wer sich seiner Logik beugt, der akzeptiert die Aufteilung der Welt in Einflusszonen; der teilt die Völker ein in mächtige und weniger mächtige; der missachtet das Recht auf demokratische Selbstbestimmung und fordert stattdessen Unterwerfung.

Alte Regeln der Abschreckung

Auch wegen dieser ideologischen Unversöhnlichkeit muss der Konflikt nun eingefroren werden, um den Eskalations-Automatismus der vergangenen Monate zu beenden. Nach aller Erfahrung kann das nur gelingen, wenn die alten Regeln der Abschreckung funktionieren. Russland und der Westen müssen einen Gleichstand des Schreckens erreichen. Das wird nicht mit Verträgen (wie dem von Minsk) oder Artillerie-Geschützen um Mariupol gelingen, sondern nur mithilfe der Sanktionen.

Wenn Putin also vor den Folgen des Sanktionsregimes für den Westen warnt, wenn die Duma bereits über ein Enteignungsgesetz für westliche Investoren debattiert, dann gibt es auch eine Kehrseite der Botschaft: Die Sanktionen schmerzen Russland sehr, die Aussicht auf eine neuerliche Steigerung, eventuell gar mit dem Ausschluss vom globalen Zahlungssystem, muss blanken Horror auslösen. Öl und Gas taugen für Putin nur noch bedingt als Druckmittel, und wenn das Oligarchensystem angegriffen wird, dann wird auch der Präsident nicht unberührt bleiben.

Nur wer den Konflikt einfriert, wird ihn eines Tages lösen können. Das zumindest kann man von Putin lernen.

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