Putin in München:Wohltat für die bayerische Seele

Beim ersten Besuch eines russischen Präsidenten in München bekommen die Gastgeber fast nur Komplimente zu hören.

Frank Nienhuysen

Die bayerische Führung hatte sich sehr auf den hohen Gast gefreut, doch Wladimir Putin ließ sie erst einmal warten. Sein Herz hängt nun mal an Dresden, und so verlängerte der russische Präsident spontan und gegen das Protokoll seinen Besuch in der Ost-Metropole. Ging spazieren, plauderte mit einer Schulklasse, ließ sich die Frauenkirche aufsperren, ging zum Zwinger. Mit fast einstündiger Verspätung kam er nach München, dann aber öffnete er sein Füllhorn mit lauter Nettigkeiten, auf die Gastgeber Edmund Stoiber so gehofft hatte.

Putin in München: Wohltat für die bayerische Seele

Putin und Stoiber: Der Besuch des Präsidenten ist Balsam auf der bayerischen Seele

(Foto: Foto: dpa)

Putin, angereist mit 32 eigenen Sicherheitsleuten, lobte die fruchtbare Zusammenarbeit mit dem Freistaat, pries das hohe Niveau der strategischen Partnerschaft und bemerkte faktensicher, dass Bayern vor 200 Jahren zum Königreich wurde. Besonders beeindruckt aber zeigte er sich davon, dass Bayern nun führend in der Hochtechnologie sei. Es sollte ein Tag des Wohlfühlens für Putin sein, nach all den bohrenden Fragen in Dresden nach Menschenrechten und Pressefreiheit und Angela Merkels mahnenden Worten zum Mord an der Journalistin Anna Politkowskaja.

Stoiber legte im prunkvollen Max-Joseph-Saal der Residenz allerdings Wert darauf, dass auch er dieses Thema bei Putin angesprochen habe. ,,Meinungsfreiheit gehört zu einer starken Demokratie'', sagte der bayerische Regierungschef. Ein kritischer Diskurs ist daraus nicht entstanden. Als Stoiber beim anschließenden Mittagessen nach dem Hauptgang das Thema Meinungsfreiheit noch einmal anschnitt, verhallten seine Worte ungehört, zumindest bei Putin. In dessen Tischrede ging der russische Präsident mit keinem Wort darauf ein.

Offensichtlich wollte der Gast seine gute Laune behalten. Es war dies ja immerhin der erste Besuch eines russischen Präsidenten in München, Putin sagte sogar, das letzte bayerisch-russische Treffen auf einer solch hohen Ebene sei im Jahr 1834 gewesen.

Also wollte der Kremlchef auch was davon haben. Putin, dessen Land vor allem von den gewaltigen Energieressourcen und der Schwerindustrie profitiert, kündigte an, er wolle die russische Wirtschaft stärker diversifizieren und Bayern könne dafür die Lokomotive sein. ,,Deutsche Forschung und Technologie sind für uns dabei von besonderem Interesse'', sagte er.

Zufrieden dürfte er deshalb vernommen haben, dass sich Bayerns Ministerpräsident für eine Freihandelszone zwischen der Europäischen Union und Russland aussprach. Russland sei ein ,,besonderer Partner und die EU, Deutschland und Bayern bräuchten deshalb ein Sonderverhältnis zu Russland'', sagte Stoiber. Die Partnerschaft richte sich gegen niemanden und sei auch kein Widerspruch zu einer möglichen Freihandelszone zwischen der EU und den USA.Gedämpft wurde Putins Interesse an einem größeren russischen Anteil am Luft- und Raumfahrtkonzern EADS.

Da habe er doch um Verständnis gebeten, sagte Stoiber, dass es ,,bei bestimmten strategischen Industrien auch gewisse Grenzen für gegenseitige Beteiligungen'' gebe. Damit dürfte Putin gerechnet haben, und das war auch schon fast der einzige Punkt, an dem die bayerisch-russische Annäherung endete. Es war eine große Phalanx mächtiger Wirtschaftsführer, die in der Grünen Galerie der Residenz mit Putin und Stoiber sprach.

Bundesminister Michael Glos und sein russischer Kollege German Gref waren dabei, Bayerns Wirtschaftsminister Erwin Huber, Thomas Enders vom Luft- und Raumfahrtkonzern EADS, Wulf Bernotat (Eon), Klaus Kleinfeld (Siemens), Martin Winterkorn (Audi) und diverse andere Unternehmer; auf russischer Seite etwa der Milliardär Alexej Mordaschow, Generaldirektor von Sewerstal und der Minister für Informationstechnologie, Lejonid Rejman. Geredet wurde natürlich über die Verzahnung der wirtschaftlichen Beziehungen, über das offenkundig unerschöpfliche Zukunftspotenzial des beiderseitigen Handels. Großen Wert legte Putin auch auf den Austausch mit den Vertretern der bayerischen Hochschulen.

Dass Putin gleich für einen ganzen Tag nach München gekommen ist, hat der bayerischen Seele mächtig geschmeichelt. Nicht Berlin, nicht Düsseldorf, sondern neben Dresden nur noch Bayern, Senat und Bayerischer Hof, naturtrübes Kirta-Bier im rustikalen Brauereigasthof Aying. ,,Wir haben uns schon sehr geehrt gefühlt'', sagt Bayerns Wirtschaftsminister Huber. Es war Stoiber selbst, der das günstige Klima gespürt hat, nachdem sich der Kremlchef zunächst nur für Dresden zum Petersburger Dialog angekündigt hatte, ohne die Bundeshauptstadt anzusteuern. Andererseits war es auch kein wirklich spontaner Erfolg. ,,Es ist nicht so, dass wir seit Jahren bei Putin antichambriert hätten'', sagte Huber, ,,aber wir hatten ihn schon mehrmals nach Bayern eingeladen.''

Moskauer Tage

Selbst der Kreml hielt einen Besuch diesmal für überfällig. Mit Bayern unterhält Russland enge Bande, seit 15 Jahren schon besteht die Partnerschaft mit Moskau, symbolisch geprägt von einem bayerischen Verbindungsbüro in der russischen Hauptstadt und dem jährlich stattfindenden bayerischen Bierfest. Jedes Jahr reist eine veritable Abordnung Dutzender bayerischer Politiker und Wirtschafter nach Russland. Ende Oktober soll die besondere Beziehung mit den Moskauer Tagen gefeiert werden, einem Austausch von Wirtschaftern, Wissenschaftlern und Kulturschaffenden.

Glaubt man der deutschen Botschaft in Russland, dann fällt es den Diplomaten besonders leicht, bayerische Politiker mit hochrangigen Gesprächspartnern zu versorgen. Manche andere Bundesländer tun sich bisweilen schwer, selbst Ministerpräsidenten beste Termine zu verschaffen. Am deutlichsten hat einmal der russische Wirtschaftsminister Gref die Partnerschaft beschrieben. ,,Wenn sich das bayerisch-russische Verhältnis weiter so gut entwickelt, werden wir eines Tages die Beziehungen zur Bundesrepublik abbrechen und dafür eine Botschaft in München installieren.'' Aber das war natürlich nur ein Scherz.

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