Putin in Berlin:Wirtschaft so nah, Politik so fern

Wenn es um Wirtschaft geht, verstehen sich Angela Merkel und Wladimir Putin prächtig - das zeigt sich erneut beim Antrittsbesuch des russischen Präsidenten in Berlin. Doch in puncto Syrien werden wesentliche Unterschiede deutlich. Und das ist längst nicht der einzige kritische Punkt im deutsch-russischen Verhältnis.

Hannah Beitzer

Zur Begrüßung gab es Küsschen: Betont herzlich empfing Angela Merkel den nicht wirklich neuen russischen Präsidenten Wladimir Putin bei seinem Antrittsbesuch in Deutschland. Der Präsident und die Kanzlerin, beide nicht gerade für ihre übersprudelnde Herzlichkeit bekannt, gaben sich alle Mühe, einen harmonischen Eindruck zu vermitteln.

Angela Merkel, Vladimir Putin

Der neue russische Präsident Putin zu Besuch bei Kanzlerin Merkel.

(Foto: AP)

Besonders gerne reden sie daher über die Wirtschaft - einen Bereich, in dem sich Russland und Deutschland prächtig verstehen. Der gegenseitige Jahresumsatz, erzählt Putin stolz, sei 2011 im Vergleich zu 2010 um ein Drittel angestiegen - auf 72 Milliarden US-Dollar. "Deutschland will Russland bei der Modernisierung seiner Wirtschaft unterstützen", bekräftigt auch Angela Merkel.

Doch in allen anderen Bereichen fällt die Einigkeit nicht ganz so leicht. So mahnt die Kanzlerin kaum verhohlen eine Stärkung der russischen Demokratie an. Deutschland habe Interesse daran, dass sich die Vielfalt in Russland weiter entwickeln könne. Nur so könne eine wirklich kräftige Zivilgesellschaft entstehen, die die Entwicklung des Landes unterstütze. Das mag Putin nicht so recht kommentieren - schließlich versuchte er in den vergangenen Monaten alles, der aufkeimenden russischen Protestbewegung das Leben schwer zu machen: Demonstrationen wurden nicht genehmigt, Oppositionelle festgenommen.

Ungelöste Syrien-Frage

Der größte Graben zwischen Deutschland und Russland tut sich derzeit allerdings in der Syrien-Frage auf. Gemeinsam mit China blockierte Russland im UN-Sicherheitsrat bereits zwei Mal Resolutionen gegen das Regime des syrischen Machthabers Baschar al-Assad. Syrien ist der letzte verbliebene Partner Russlands in der Region. Die russische Marine unterhält in dem Land ihre einzige Basis außerhalb der ehemaligen Sowjetunion.

"Das jüngste Massaker in Haula hat uns nochmal vor Augen geführt, wie schrecklich die Menschenrechtslage in Syrien ist", kommentiert die Kanzlerin den Konflikt, während Putin schweigend neben ihr steht. "Wir müssen politisch alles daran setzen, hier voranzukommen." Der Plan des Syrien-Sondergesandten Kofi Annan könne ein Ausgangspunkt sein. Insbesondere im UN-Sicherheitsrat müsse mit aller Kraft und Nachdruck daran gearbeitet werden, dass dieser Plan auch umgesetzt werden könne. Gegebenenfalls müssten ergänzende politische Aktivitäten entfaltet werden, sagte Merkel.

Und genau bei diesen ergänzenden politischen Aktivitäten gehen die Meinungen in Moskau und Berlin weit auseinander. Selbst nach dem Massaker regierungstreuer Truppen in der syrischen Stadt Haula, bei dem mehr als 100 Menschen starben, rückte Russland nur leicht von seiner unterstützenden Linie ab, während westliche Länder in einer konzertierten Aktion die Botschafter Syriens auswiesen.

Auch in Berlin betont Putin: "Man darf nichts mit Gewalt erwirken." Vielmehr müsse man die Konfliktparteien an einen Tisch bringen und einen Punkt finden, wo die Interessen übereinstimmten. "Diejenigen, die sagen, dass Russland das Regime unterstützt, irren sich." Vielmehr unterstütze Russland keines der beiden Lager.

Außerdem sprach er sich dagegen aus, den Annan-Friedensplan für gescheitert zu erklären. "Kofi Annan ist ein sehr erfahrener Mann. Wir sollten uns darauf konzentrieren, ihn zu unterstützen." Dies könne nur im Dialog mit Assad, regionalen Nachbarn und den arabischen Staaten gelingen.

Harsche Kritik an Putins Syrien-Kurs

Für diese zurückhaltende Position wird Putin schon seit längerem harsch kritisiert. So beschuldigt US-Außenministerin Hillary Clinton die Führung in Moskau, mitverantwortlich für einen möglichen Bürgerkrieg in Syrien zu sein. Während ihres Dänemark-Besuches sagte sie der Nachrichtenagentur Ritzau zufolge: "Russland erklärt, dass man keinen Bürgerkrieg in Syrien wünscht. Ich sage ihnen (den Russen), dass ihre Politik zu einem Bürgerkrieg beitragen wird."

Die Europäische Union hofft nach wie vor, dass Russland seinen Einfluss in Damaskus geltend macht, um das Blutvergießen in Syrien zu beenden. Beim bevorstehenden Gipfeltreffen zwischen der EU und Russland am Sonntag und Montag in St. Petersburg werde die EU-Spitze Präsident Wladimir Putin erneut zum Handeln auffordern, sagte ein ranghoher EU-Diplomat kurz vor Putins Besuch in Deutschland. "Die russische Seite war sicherlich bisher nicht sehr hilfreich bei der Suche nach einem politischen Ausweg", sagte der Diplomat.

Auch Außenminister Guido Westerwelle hat Moskau bei der Lösung der Syrien-Frage eine Schlüsselrolle zugesprochen. Russland müsse erkennen, dass Deutschland nicht gegen strategische russische Interessen arbeite, "wenn wir die Gewalt in Syrien beenden möchten", sagte Westerwelle der Welt. Deutschland setze weiter auf eine diplomatische Lösung. Dabei soll der Friedensplan des Sondergesandten Kofi Annan nach Möglichkeit doch noch umgesetzt werden. Annans Plan sei "immer noch die beste Grundlage für eine politische Lösung", sagte Westerwelle.

Bundeskanzlerin Merkel hatte sich vor dem Treffen mit Putin noch zuversichtlich geäußert: "Ich denke, dass wir ein gewisses Maß an Gemeinsamkeit haben, wenn es darum geht, Menschenrechte zu sichern und diese schrecklichen Menschenrechtsverletzungen endlich zu einem Abschluss zu bringen."

Doch abseits diplomatischer Beteuerungen hat Russlands Ruf in Deutschland in den vergangenen Monaten schwer gelitten - nicht nur wegen Syrien. Im Westen zweifelt man an Putins Bekenntnis zur Demokratie, nicht umsonst war hierzulande die Sympathie für die neue russische Protestbewegung, für jene Demonstranten, die seit Monaten gegen Putin auf die Straße gingen, groß.

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