Putin-Gegner bis 2017 in Haft:Chodorkowskij-Anwälte kämpfen gegen Skandalurteil

Noch liegt nicht einmal die Urteilsbegründung vor - doch die Verteidiger von Michail Chodorkowskij haben bereits Berufung gegen die neuerliche Haftstrafe für den früheren Öl-Magnaten eingelegt.

Kurz nach der umstrittenen Verurteilung des russischen Kremlkritikers Michail Chodorkowskij zu 14 Jahren Haft hat die Verteidigung des ehemaligen Ölmagnaten Berufung eingelegt.

Russland-Beauftragter: Chordorkowski-Prozess ist politisch motiviert

14 Jahre Haft wegen Finanzbetrug: Der Kremlkritiker Michail Chodorkowskij muss voraussichtlich bis 2017 im Gefängnis bleiben.

(Foto: dapd)

"Die Urteilsbegründung liegt uns zwar noch nicht vollständig vor, aber wir wollten wegen der anstehenden Feiertage die Frist nicht versäumen", sagte die Anwältin Karina Moskalenko Angaben der Agentur Interfax zufolge in Moskau. In Russland sind vom 1. bis 10. Januar Winterferien.

Bisher umfasse der Widerspruch der Verteidigung neun Seiten, sagte Moskalenko. "Wir werden die Berufung gegen das Urteil ausdehnen, sobald wir alle Dokumente erhalten."

Ein Gericht in Moskau hatte Chodorkowskij und seinen früheren Geschäftspartner Platon Lebedjew zu 14 Jahren Haft verurteilt. Sie sollen 218 Millionen Tonnen Öl abgezweigt und illegal weiterverkauft haben. In einem ersten Prozess wegen Betrugs und Steuerhinterziehung waren sie bereits zu einer Haftstrafe von acht Jahren verurteilt worden, die im kommenden Jahr abgelaufen wäre. Da die erste Haftzeit angerechnet wird, müssen beide voraussichtlich bis 2017 im Gefängnis bleiben.

Die Bundesregierung bezeichnete die Verlängerung der Haftzeit für Chodorkowskij und Lebedjew als Rückschritt auf dem von Kremlchef Dmitrij Medwedjew eingeschlagenen Weg der Modernisierung Russlands.

"Urteil der Gesetzlosigkeit"

Prozessbeobachter prangerten viele Ungereimtheiten im Verfahren an. "Das Urteil stellt einen Schlag gegen die Gesetzlichkeit in Russland dar", kritisierte die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW).

Die Verhandlung habe gezeigt, dass die Probleme des russischen Justizsystems tief verwurzelt seien. "Alles, was die Anklage und den Gerichtsprozess anbelangt, zeugt davon, dass gegen Chodorkowskij ein politischer Prozess geführt wurde", heißt es in der HRW-Mitteilung.

Auch die regierungskritische russische Zeitung Nowaja Gaseta kritisierte den Schuldspruch scharf. "Aus diesem Urteil spricht die Gesetzlosigkeit", heißt es in einem Kommentar in der Freitagsausgabe der Zeitung. "Das Problem ist nicht nur, dass kein unabhängiger Experte dieses Urteil gesetzlich nennen kann. Es ist auch ein bestimmtes Signal an die gebildeteren Menschen, die auf die Pläne von Präsident Dmitrij Medwedjew für eine Modernisierung des Landes setzen."

Der Kreml zeigt sich indes unbeeindruckt vom Widerstand im In- und Ausland: "Russlands Gerichte sind weder von ausländischen noch von russischen Behörden abhängig", sagte Außenminister Sergej Lawrow nach Angaben der Agentur Interfax. "Falls dieses Urteil jemanden stark beunruhigt, so will ich daran erinnern, dass jeder Angeklagte Widerspruch einlegen kann." Lawrow appellierte an die Richter, sich "nicht vom Ausland beeinflussen zu lassen".

Bei Protesten der kremlkritischen Opposition für demokratische Reformen in Russland sind mehr als 120 Demonstranten festgenommen worden. Sondereinheiten der Polizei griffen bei zwei nicht erlaubten Kundgebungen in Moskau sowie in St. Petersburg zu, wie die Agentur Interfax meldete. In mehreren russischen Städten hatten die Behörden Kundgebungen unter Auflagen erlaubt.

Bei den traditionellen Protesten von Menschenrechtlern und Kremlgegnern am 31. eines Monats, die an diesem Freitag unter dem Eindruck des Chodorkowskij-Urteils standen, ließ die Regierung hart durchgreifen. In Moskau nahmen Sondereinsatzkräfte der Polizei 68 Personen fest, darunter prominente Oppositionspolitiker wie Boris Nemzow und Ilja Jaschin. Auch in St- Petersburg kam es zu zahlreichen Verhaftungen.

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