Prüfbericht zu Pakistan:Amnesty sieht in US-Drohnenangriffen Bruch des Völkerrechts

US-Drohnenangriffe Pakistan

Drohne von Typ MQ-1 Predator der US Air Force

(Foto: dpa)

Eine Großmutter, die vor den Augen ihrer Enkel bei der Feldarbeit getötet wird: Wegen Vorfällen wie diesen verurteilt Amnesty International die Drohnenangriffe der USA in Pakistan als "Lizenz zum Töten". Auch gegen die Bundesregierung erhebt die Menschenrechtsorganisation schwere Vorwürfe.

Mit ihren Drohnenangriffen in Pakistan haben die USA nach Einschätzung von Amnesty International (AI) mehrfach das Völkerrecht gebrochen und womöglich auch Kriegsverbrechen begangen. "Mit dem strikt geheim gehaltenen Drohnenprogramm geben sich die USA eine Lizenz zum Töten, die menschenrechtliche Standards und das Völkerrecht vollkommen ignoriert", erklärte die deutsche Sektion der Menschenrechtsorganisation bei der Vorstellung eines Prüfungsberichts.

Der Pakistan-Experte von Amnesty, Mustafa Qadri, sagte: "Wir veröffentlichen diesen Bericht, um Regierungen einschließlich der deutschen dazu zu drängen, ihre Rolle in dem US-Drohnenprogramm offenzulegen." Die deutsche Regierung verlasse sich auf die Selbstauskunft der USA, wonach das Völkerrecht eingehalten werde, teilte AI weiter mit. "Die Bundesregierung muss endlich öffentlich einfordern, dass auch die USA sich an das geltende Recht halten." Die Ankündigungen von US-Präsident Barack Obama, dem Drohnenprogramm strengere Regeln und mehr Transparenz verordnen zu wollen, seien bis heute "leere Versprechen" geblieben, hieß es.

Für den Bericht haben Amnesty-Mitarbeiter 45 Drohnenangriffe untersucht, die zwischen Januar 2012 und August 2013 in der schwer zugänglichen Bergregion Nordwaziristan geflogen worden seien. "Besonders perfide ist die Praxis, einem ersten Drohnenangriff kurz darauf den nächsten folgen zu lassen, der dann diejenigen Menschen trifft, die den Verletzten helfen wollten", urteilte Amnesty in dem Prüfbericht.

Amnesty kritisiert auch die Rolle Deutschlands

Beispielsweise sei eine 68-jährige Großmutter im Oktober 2012 vor den Augen ihrer Enkel bei der Feldarbeit getötet worden. Die Kinder seien bei einem zweiten Luftangriff verletzt worden. Als zweites Beispiel genannt wurde ein Fall vom Juli 2012: Damals seien 18 Zivilisten aus der Luft angegriffen worden, die sich nach ihrem Arbeitstag zum Abendessen zusammengesetzt hätten. Obwohl die Dorfbewohner nach Erkenntnissen von Amnesty "keinerlei Bedrohung darstellten", seien sie in offiziellen US-Berichten als militante Kämpfer bezeichnet worden.

Die Menschenrechtsorganisation verlangte zudem von Deutschland, öffentlich auf die Einhaltung des Völkerrechts zu pochen. Bislang habe die Bundesregierung derlei Drohnenangriffe aber nicht nur geduldet, sondern auch mit Geheimdienstinformationen unterstützt - etwa indem sie dem US-Auslandsgeheimdienst CIA "Daten wie Handy-Nummern" geliefert hat, wie die Süddeutsche Zeitung und das NDR-Magazin "Panorama" schon im August aufgedeckt hatten.

Amnesty beruft sich dabei auf ehemalige pakistanische Geheimdienstoffiziere. Nach deren Aussagen sollen "die Geheimdienste in Deutschland und anderen europäischen Staaten mit den USA und deren Drohnenprogramm in Pakistan zusammengearbeitet" haben.

Auch die Menschrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) hat einen Bericht zu US-Drohneneinsätzen vorgelegt - hier geht es aber um den Jemen. Der 97-seitige Bericht untersucht sechs gezielte US-Angriffe in dem Land in den Jahren 2009, 2012 und 2013. Bei zwei Angriffen wurden demnach wahllos Zivilisten getötet - damit wurde klar gegen Kriegsrecht verstoßen. Zudem gab es HRW zufolge unverhältnismäßig viele zivile Opfer.

Die Drohneneinsätze werden auch Thema beim Treffen des neuen pakistanischen Premierministers Nawaz Sharif mit US-Präsident Barack Obama an diesem Mittwoch in Washington sein. Die pakistanische Regierung fordert seit Langem einen Stopp der Angriffe im pakistanischen Grenzgebiet zu Afghanistan, was die USA ignorieren. Die CIA setzt die unbemannten Flugzeuge ein, um gezielt mutmaßliche Aufständische zu töten, denen zuvor kein rechtsstaatlicher Prozess gemacht wurde.

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