Prozess wegen Djerba-Attentat:Die Rolle des Christian G.

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In Paris steht ein Deutscher als mutmaßlicher Drahtzieher des Anschlags auf eine Synagoge auf Djerba vor Gericht. 2002 waren 21 Menschen getötet worden. Der Anwalt des Deutschen nannte den Prozess "unfair".

In Paris hat der Prozess gegen die mutmaßlichen Hintermänner des tödlichen Anschlags auf der tunesischen Ferieninsel Djerba vor knapp sieben Jahren begonnen. Unter den drei Angeklagten vor einem Schwurgericht in der französischen Hauptstadt ist der Deutsche Christian G. Ihm wird vorgeworfen, dem Selbstmordattentäter telefonisch seinen "Segen" gegeben zu haben - mit den Worten "Gehe in Frieden, Gottes Gnade und Segen sei mit dir".

Eine Zeichnung des Angeklagten Christian G., der in Paris vor Gericht steht. (Foto: Foto: AFP)

Dieser hatte nach dem abgehörten Telefonat im April 2002 einen Lastwagen mit Gastank vor einer Synagoge auf Djerba in die Luft gesprengt. 21 Menschen waren getötet worden, unter ihnen 14 deutsche Urlauber.

G. war zwar in Deutschland vorübergehend festgenommen worden, musste aber freigelassen werden. Eine Ermittlungsrichterin hatte einen Antrag auf Haftbefehl abgelehnt. Der zum Islam übergetretene G., der über Jahre Kontakte zur Führung des Terrornetzwerkes al-Qaida gehabt haben soll, bestreitet alle Vorwürfe.

Anwalt: Keine Chance auf "fairen Prozess"

In einem offenen Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte er am Freitag der französischen Justiz vorgeworfen, entlastendes Beweismaterial nicht zu berücksichtigen und ein "rein politisch motiviertes" Verfahren gegen ihn zu führen.

Der Verteidiger des Deutschen, Sebastien Bono, forderte zu Prozessbeginn, die Vorwürfe gegen den 42-Jährigen fallenzulassen, weil dieser keine Chance auf einen fairen Prozess habe. Zur Begründung verwies der Anwalt auf Äußerungen des französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy, der 2003 als Innenminister den Deutschen als hochrangigen Al-Qaida-Verantwortlichen mit Kontakten zu Extremistenchef Osama bin Laden persönlich bezeichnet hatte.

"Wenn der Staatspräsident als Garant der Unabhängigkeit der Institutionen die Regeln verletzt, haben wir keine Chance auf ein faires Verfahren", sagte Bono.

Schlechte Leistungen in der Schule

Christian G. war als Kind mit seinen Eltern als Spätaussiedler in die Bundesrepublik eingereist. Der Junge war christlich erzogen worden, seine Leistungen in der Hauptschule blieben unterdurchschnittlich. Die schwerwiegendste Entscheidung seines Lebens war der Übertritt zum Islam.

Nun hieß er für seine Glaubensbrüder Ibrahim, musste nicht mehr den christlichsten aller Vornamen tragen. Er wurde wohl auch von deutschen Ermittlern zur Terrorszene gerechnet und bestreitet nicht das Telefonat mit seinem Freund, dem Attentäter. Das habe aber nichts mit dem Anschlag zu tun gehabt.

Nach seiner Freilassung war er mit seiner Familie nach Saudi-Arabien gereist, als Pilger. Die Auslieferungsanträge der französischen Behörden - auch zwei Franzosen waren unter den Opfern von Djerba gewesen - wurden zunächst ignoriert. Erst als auch in Riad Anschläge verübt wurden, wurde Christian G. in ein Flugzeug der Air France gesetzt, das nach Paris flog. Noch auf dem Flughafen wurde er verhaftet.

Unterschiedliche Ermittlungsergebnisse

Die Franzosen waren ebenso wie die amerikanischen Terror-Ermittler verstimmt, wie ihre deutschen Kollegen mit dem Fall umgegangen waren. Umgekehrt hat es die Deutschen irritiert, wie sicher sich die Franzosen waren. Sie hätten nichts, um G. mit dem Attentat in Verbindung zu bringen, räumten die deutschen Ermittler ein.

In Paris muss sich zeigen, ob die Franzosen mehr zusammengetragen haben. Die Staatsanwaltschaft will beweisen, dass Christian G. die "zentrale Person" eines sieben Mann starken Terrortrupps gewesen ist und dass er mit seinem Segensspruch gleichsam grünes Licht für die Aktion gegeben hat. Was seine terroristische Kompetenz angehe, gebe es Videos, auf denen er mit Al-Qaida-Kämpfern zu sehen sei. Ein Film zeige ihn gar mit Osama bin Laden und Mohammed Atta, dem Selbstmordpiloten vom 11. September 2001.

Die Ghriba-Synagoge im Djerba ist wieder aufgebaut. Sie ist die älteste in Nordafrika und die schönste. Für die Juden der Region ist sie ein Wallfahrtsort, auch deshalb war sie das Ziel der Terroristen. Bislang musste sich nur ein Onkel des Attentäters vor Gericht verantworten; ein tunesisches Gericht verurteilte ihn zu zwanzig Jahren Haft, weil er Nisar Nawar beim Füllen des Gastanks geholfen hatte. Für die Angeklagten in Paris gibt es nur die Alternativen Freispruch oder lebenslang.

© sueddeutsche.de/AFP/Reuters/mati/gba - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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