Prozess:Top-Spion oder Amateur

BND-Mann Markus R. lieferte der CIA Dokumente. Die Ankläger fordern ein hartes Urteil, die Verteidiger halten dagegen und zitieren Urteile gegen Spione, die zur Zeit des Kalten Krieges Geheimnisse an den KGB verrieten.

Von Hans Holzhaider

München - War Markus R. ein Top-Spion? Zehn Jahre Haft hat die Bundesanwaltschaft für den 32-Jährigen gefordert, der während seiner Dienstzeit beim Bundesnachrichtendienst (BND) in den Jahren von 2008 bis 2014 mehr als 300 Dokumente an die CIA geliefert hatte. "Weit überhöht" sei diese Strafforderung, plädierten jetzt R.s Verteidiger Walter Lechner und Klaus Schroth. Denn Markus R. sei eben gerade kein "Top-Spion", sondern ein eher unbedarfter Amateur, der in grenzenloser Naivität die mögliche Tragweite seines Handelns nicht erkannt habe, und dem es zudem durch die laxen Sicherheitsbestimmungen beim BND sträflich leicht gemacht worden sei, die teils als geheim eingestuften Dokumente zu kopieren und mit nach Hause zu nehmen.

Zweifelhaft sei schon, argumentierten die Verteidiger, ob R.s Agententätigkeit überhaupt den Tatbestand des Landesverrats erfülle. Denn dazu müsste er "die Gefahr eines schweren Nachteils für die äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland" herbeigeführt haben. Eine solche Gefahr sei aber ersichtlich nicht eingetreten. Denn die Dokumente seien ja an eine befreundete Macht und den wichtigsten Bündnispartner Deutschlands in der Nato gegangen. Lechner zitierte aus dem Nato-Vertrag, der die Mitglieder verpflichte, Staatsgeheimnisse der Bündnispartner wie ihre eigenen zu behandeln. "Herr R. durfte deshalb darauf vertrauen, dass es zu keiner Gefährdung der äußeren Sicherheit der BRD kommt", sagte der Verteidiger. Aber auch wenn das Gericht dies anders sähe - ein "besonders schwerer Fall" des Landesverrats, wie ihn die Bundesanwaltschaft angenommen hatte, liege jedenfalls nicht vor. Lechner zitierte höchstrichterliche Urteile gegen Spione, die zur Zeit des Kalten Kriegs brisante militärische Geheimnisse an die DDR oder den sowjetischen Geheimdienst KGB verraten hatten: Neun Jahre, acht Jahre, sieben Jahre. Und nun solle Markus R. für zehn Jahre hinter Gitter, weil er den eigenen Verbündeten Dokumente überlassen habe, deren Inhalt diese zum Teil auch in der Zeitung hätten lesen können?

Den Angeklagten schilderten die Anwälte als einen stillen, höflichen, in sich gekehrten Menschen, der in seiner Agententätigkeit "in erster Linie ein spannendes Spiel" gesehen habe. R. sagte in seinem Schlusswort, er wolle sich aufrichtig entschuldigen. Das Urteil wird am 17. März verkündet.

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