Prozess gegen Islamisten:Bruder Bombenleger

Die Angeklagten betreten in Fußfesseln den Düsseldorfer Gerichtssaal. Als der Richter eintrifft, bleiben sie demonstrativ sitzen. Unter ihnen ist Marco G. Er soll einen Sprengsatz im Bonner Hauptbahnhof deponiert und mit drei Komplizen geplant haben, den Chef einer rechtsextremen Partei zu ermorden.

Von Annette Ramelsberger, Düsseldorf

Bernhard Falk ist 46 Jahre alt, zwölf davon hat er in Haft gesessen, wegen Sprengstoffanschlägen als Mitglied der linken Antiimperialistischen Zellen - damals, als er noch Linksextremist war. Heute ist er Muslim, allerdings einer der extremeren Sorte. An diesem Tag ist er in den Prozess gegen den Salafisten Marco G. vor dem Düsseldorfer Oberlandesgericht gekommen, der angeklagt ist, eine Bombe auf dem Bonner Hauptbahnhof gelegt zu haben, die glücklicherweise nicht explodierte.

Bernhard Falk und Marco G. sind Brüder im Geiste. "Ein mutiger Bruder" sei Marco G. , sagt Bernhard Falk, der alte linke Bombenleger, "die BRD führt Krieg gegen die Muslime. Solche Aktionen sind zu erwarten aufgrund der Politik, die die BRD macht." Falk ist sich sicher, dass bald eine dieser Bomben zünden wird: "Die Weltmassen werden Mittel und Wege finden, sich zu wehren. Irgendwann wird es eine Lücke geben in den Sicherheitsvorkehrungen."

Bernhard Falk hat seinen Bruder Marco G. mehrmals in Haft besucht, sie schreiben sich Briefe. Beide sind Deutsche, beide Konvertiten, beide extrem. Die Bundesanwaltschaft wirft dem 26-jährigen Bonner Marco G. vor, am 10. Dezember 2012 mittags auf dem belebten Bahnhof von Bonn eine Bombe in einer Sporttasche abgestellt zu haben. Eine Bombe, die laut Bundesanwaltschaft scharf und zündfähig war. Deswegen hat sie Marco G. des versuchten Mordes und des versuchten Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion angeklagt.

Eine "ernst zu nehmenden Attacke"

Sein Anwalt Mutlu Günal hält dagegen: Der Zünder der Bombe sei nicht gefunden worden, die Bombe eine Attrappe gewesen. Und es stimmt ja auch: Der Zünder wurde nicht gefunden. Gleichwohl geht die Anklage davon aus, dass die Bombe scharf war, es gibt Details an dem Sprengsatz, die nur Sinn ergeben, wenn dort ein Zünder angebracht war.

Bundesanwalt Horst Salzmann sagt, die Bombe von Bonn sei eine "ernst zu nehmenden Attacke" gewesen. Der Zünder sei nur deswegen nicht gefunden worden, weil die Spurensicherung im Gleisbett von Bonn "nicht optimal" war. Die Bombe war zunächst von einem Roboter zerstört worden, auch einige Züge rauschten noch durch den Bahnhof. Ein fragiler Zünder könnte da leicht weggeflogen sein. Zudem spricht nach Ansicht der Bundesanwaltschaft das gesamte Verhalten von Marco G. vor der Tat dafür, dass er es ernst meinte. Er hatte sich unter dem Namen seiner Frau die Substanzen zum Sprengstoffbau besorgt, er hatte im Internet Bombenbauanleitungen studiert. Und er galt seinen Glaubensbrüdern als verbohrter Islamist, der den Dschihad will.

Marco G. ruft im Gericht "Allahu Akbar", Gott ist groß

Mitangeklagt mit Marco G. sind drei junge Männer, die zwar nicht an dem mutmaßlichen Bombenattentat beteiligt gewesen sind, aber ein paar Monate später gemeinsam mit Marco G. einen Anschlag auf den Vorsitzenden der rechtsextremen Partei Pro NRW geplant haben sollen. Sie wurden am 13. März 2013 nur 600 Meter vom Haus des Pro-NRW-Chefs Markus Beisicht abgefangen. In ihrem Auto fanden sich zwei Pistolen, in der Wohnung von Marco G. lagerte Sprengstoff. Abhörprotokolle belegen, dass die Männer im Auto über einen Mord an Beisicht sprachen. Deswegen sind sie wegen Verabredung zum Mord angeklagt.

Die Angeklagten kommen herein und recken den Zeigefinger zur Decke. Allahu Akbar, ruft Marco G.. Allahu Akbar, Gott ist groß, ruft auch Enea B.. Alle vier Angeklagten tragen dichte, lange Bärte, Marco G. und Enea B. auch Kopftücher, wie man sie an den Kämpfern des Islamischen Staates im Nordirak sieht.

Der Richter lässt sich nicht beirren

Sie tragen Fußfesseln. Drei von ihnen stehen demonstrativ nicht auf, als das Gericht erscheint. Sie lehnen die weltliche Gerichtsbarkeit ab. Enea B., ein albanischer Polizist, ausgebildet in einer Eliteeinheit, bedeutet seinen Anhängern im Saal mit Handzeichen, sie sollten ebenfalls sitzen bleiben. Eine Handvoll junger Männer ist gekommen, sie grinsen den Angeklagten zu. Reden wollen sie nicht, nicht mit Ungläubigen. Und Enea B.s Anwalt sagt zu Richter Frank Schreiber: "Herr B. hat kein Interesse daran, mit Ihnen zu kommunizieren."

Richter Schreiber fordert die vier Angeklagten auf, aufzustehen und die Kopfbedeckungen abzunehmen. "Wir werden das nicht folgenlos hinnehmen, sondern Ordnungsmittel erlassen." Sofort, noch bevor sich das Gericht gesetzt hat, kommen von einigen Verteidigern Ablehnungsgesuche gegen das Gericht, aber der Richter lässt sich nicht beirren. Erst einmal verliest Bundesanwalt Horst Salzmann die Anklage.

Marco G. wirft er vor, mit der Bombe auf dem Hauptbahnhof von Bonn "aus niederen Beweggründen und heimtückisch" versucht zu haben, eine unbestimmte Anzahl von Menschen zu töten. Den anderen dreien und Marco G. legt er zur Last, eine terroristische Vereinigung gegründet zu haben, dazu die Verabredung zum Mord und Verstöße gegen das Waffengesetz.

Religionsausübung angeblich krankhaft

Sie hatten sich die Landesliste der Partei Pro NRW besorgt, 28 Namen. Neun davon hatten sie rot markiert und die Menschen ausgespäht. Als erster sollte der Parteichef Markus Beisicht getötet werden, sein Haus nannten die Verschwörer "Haus des Unglaubens", und Enea B. hatte schon ein Papier geschrieben: "Grundzüge des Ablaufes eines Anschlags". Pro NRW hatte provokativ im Landtagswahlkampf die Mohammed-Karikaturen gezeigt. Immer wieder seien die vier Salafisten zu Fahrten aufgebrochen, um die Mitglieder der rechtsextremen Partei auszuspähen, erklärte Salzmann.

Am Nachmittag werden dann doch noch die Befangenheitsanträge gestellt. Marco G.s Anwälte zum Beispiel werfen dem Gericht vor, sich in die Öffentlichkeitsarbeit des Generalbundesanwalts einspannen haben zu lassen. Fast wortgleich machen das auch andere Verteidiger geltend. Außerdem habe das Gericht durch die Bestellung eines forensischen Gutachters klargemacht, dass es die Religionsausübung von Marco G. für krankhaft halte, sagen seine Anwälte. Dies sei die "Zwangspsychatrisierung eines bestimmten Glaubens". Über die Befangenheitsanträge wird nächste Woche entschieden.

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