Prozess gegen Demjanjuk:470 Anträge abgelehnt

Bereitwillig soll der 90-jährige John Demjanjuk bei der Ermordung Zehntausender Juden geholfen haben. Sein Anwalt versuchte bis zuletzt, den Abschluss der Beweisaufnahme zu verhindern - vergeblich.

Robert Probst

Der Prozess gegen den mutmaßlichen Wachmann im Vernichtungslager Sobibor, John Demjanjuk, nähert sich nach 16 Monaten nun seinem Ende. Am Donnerstag schloss die Schwurgerichtskammer am Landgericht München die Beweisaufnahme - am kommenden Dienstag wird Staatsanwalt Hans-Joachim Lutz sein Plädoyer halten. Zuvor hatte das Gericht mehr als 470 Anträge von Demjanjuks Wahlverteidiger Ulrich Busch zurückgewiesen. Dem 90 Jahre alten gebürtigen Ukrainer Demjanjuk wird vorgeworfen, 1943 als "fremdvölkischer Hilfswilliger" der SS in Sobibor bei der fabrikmäßigen Ermordung Zehntausender Juden "bereitwillig" geholfen zu haben. Der Prozess hatte am 30. November 2009 begonnen, es fanden bisher fast 90 Verhandlungstage statt.

Prozess gegen John Demjanjuk wird fortgesetzt

Der mutmaßliche Wachmann im Vernichtungslager Subibor, John Demjanjuk, kann Anfang Mai mit seinem Urteil rechnen.

(Foto: dpa)

In den vergangenen Wochen, als sich bereits ein Ende der Beweisaufnahme - es wurden mehr als 20 Zeugen und Sachverständige gehört und Tausende Seiten Akten, Vernehmungsprotokolle und Gerichtsentscheidungen vorgelesen - abzeichnete, hatte Verteidiger Busch die Kammer mit insgesamt mehr als 470 Beweisanträgen überhäuft. Ende Februar hatte er an zwei Verhandlungstagen stundenlang Anträge vorgelesen, so dass das Gericht ihm schließlich Anfang März auftrug, alle Anträge künftig schriftlich einzureichen. Zudem setzte die Kammer dann eine Abgabefrist bis zum 15. März. Seit einiger Zeit drängt das Gericht auf deutliche Verfahrensbeschleunigung, der Vorwurf der Prozessverschleppung gegen Busch wurde mehrfach erhoben. Am Dienstag übergab Busch dann - obwohl aufgrund einer Krankheit des Angeklagten gar keine Verhandlung stattfand - weitere Unterlagen.

Am Donnerstagvormittag ging die Kammer dann auf einige wenige Anträge ein und führte weitere Urkunden in den Prozess ein - nach der Mittagspause trug dann der Vorsitzende Richter Ralph Alt über 80 Minuten lang einen 13-seitigen Beschluss vor, in dem praktisch alle anderen Beweisanträge als unzulässig zurückgewiesen wurden. So seien viele Beweise bereits erhoben worden, vielfach sei kein konkretes Beweismittel genannt worden, zu verschiedenen Komplexen hätten Sachverständige ausführlich Stellung genommen. Diese "vollständige Ablehnung der Beweisanträge zeigt die völlige Chancenlosigkeit der Verteidigung im Verfahren", resümierte sichtlich konsterniert Anwalt Busch. Er habe allerdings bereits mit der Ablehnung gerechnet - von Anfang an hat er das Gericht mehrmals wegen Befangenheit abgelehnt, insgesamt bisher 22 Mal. Den Wunsch von Busch den Ablehnungsbeschluss drei Wochen lang prüfen zu dürfen und seine Schriftsätze gegebenenfalls nachzubessern, lehnte das Gericht dann ebenfalls ab - "weil der Schluss der Beweisaufnahme hinausgeschoben werden soll."

Das Urteil wird voraussichtlich Anfang Mai fallen, vor dem Plädoyer der Verteidigung wollen auch viele der mehr als 30 Nebenkläger, die alle Familienangehörige in Sobibor verloren haben, ein Schlusswort sprechen.

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