Prozess:Flucht mit Auftrag

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Einer der Angeklagten versteckt sich zum Prozessauftakt in Düsseldorf hinter einem Ordner. (Foto: Marcel Kusch/afp)

In Düsseldorf stehen drei Männer vor Gericht, die einen Anschlag in der Altstadt geplant haben sollen. Sollte stimmen, was einer von ihnen erzählt, schleust der IS als Flüchtlinge getarnte Anhänger nach Europa, um hier zu morden.

Von Jan Bielicki, Düsseldorf

Es sollte am Abend eines Freitags oder Samstags passieren. Dann ist besonders viel los in der Düsseldorfer Altstadt, wo sich Kneipe an Kneipe zur laut Eigenwerbung "längsten Theke der Welt" reiht. Mitten unter den Feiernden sollten zwei Attentäter sich selbst und die Umstehenden in die Luft sprengen. An den Ausgängen des Ausgehviertels sollten unterdessen acht Komplizen warten und mit Schnellfeuergewehren in die Fliehenden schießen, bis ihre Magazine leer sein würden. Dann sollten auch sie ihre Sprengwesten zünden. Wäre aus dem Plan Wirklichkeit geworden, hätte es sicher viele Opfer gegeben. Doch das Attentat fand nie statt.

Am 1. Februar 2016 betrat der heute 30-jährige Saleh A. eine Polizeiwache in Paris und erzählte den Beamten davon, wie er von der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) den Auftrag erhalten habe, diesen Anschlag zu planen, vorzubereiten und zu begehen. Darum sitzt er an diesem Mittwoch im Hochsicherheitsbau des Oberlandesgerichts Düsseldorf hinter schusssicherem Glas auf der Anklagebank, neben ihm zwei Männer, die seine Mitverschwörer gewesen sein sollen. Die Anklage lautet unter anderem auf Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung und Verabredung eines Verbrechens. Auch vor Gericht zeigt sich der Mann aus der syrischen IS-Hochburg Raqqa aussagebereit. "Alles", so übersetzt der Dolmetscher seine Worte aus dem Arabischen, werde er erzählen.

Saleh A. betrat eine Polizeiwache in Paris und erzählte von den Plänen

Stimmt das, was er bereits den Ermittlern in Frankreich und Deutschland sagte, schleust der IS als Flüchtlinge getarnte Anhänger mit dem Auftrag nach Deutschland, hier zu morden. Die Bundesanwaltschaft hat in ihrer Anklageschrift keine Zweifel an der Glaubwürdigkeit ihres Hauptangeklagten und Hauptzeugen. Je mehr die Behörden Details seiner Schilderungen nachgegangen seien, "desto mehr hat es sich bestätigt", sagt der Bundesanwalt Tobias Engelstätter. Das Gericht hat allerdings auch Psychologen als Sachverständige bestellt, die Saleh A. und einen seiner Mitangeklagten begutachten sollen.

Als in Syrien der Bürgerkrieg ausbrach, schloss sich der Sohn eines Radiologen und einer Apothekerin nach eigenen Angaben dem Widerstand gegen das Assad-Regime an und landete bei der islamistischen Al-Nusra-Front. Bei den Kämpfen starb sein Bruder in seinen Armen, es gibt ein Propagandavideo von dieser Szene. Saleh A. soll den Soldaten, der seinen Bruder erschoss, selbst getötet haben. Später will er sich geweigert haben, dem IS den Treueeid zu schwören. Sie sollen ihm in die Schulter geschossen haben, die Narbe hat er noch. In einem Umerziehungslager des IS habe er den Mitangeklagten Hamza C., heute 29, kennengelernt. Dessen Verteidiger bestreiten das: Ihr Mandant habe zu diesem Zeitpunkt seinen Militärdienst im heimischen Algerien abgeleistet.

Der Anklage zufolge, die vor allem auf Saleh A.s Angaben fußt, sollen die beiden im April 2014 von führenden IS-Kadern, darunter Abu Luqman, dem Emir der Region Raqqa, den Auftrag zu einem Anschlag in Deutschland bekommen haben. Dass sie ihn in Düsseldorf verüben sollten, soll die Idee eines - nur mit arabischem Tarnnamen bezeichneten - deutschen IS-Kämpfers gewesen sein.

Jeder der beiden soll 5000 Euro Handgeld bekommen haben. Doch zunächst sollen sie sich in der Türkei als Schleuser betätigt haben, bis Saleh A. seinen IS-Oberen in Raqqa via Facebook meldete, er sei für seinen Auftrag bereit. Zurück erhielt er den frommen Rat, Gott zu vertrauen - und im Anhang eine Anleitung zum Bombenbau. Per Schlauchboot über die Ägäis und dann über die Balkanroute, erreichte Saleh A. im März 2015 Deutschland.

Dort will Saleh A. auch Hamza C. in die Details des Anschlagsplans eingeweiht haben. Geld sollen sie mit Drogenhandel verdient haben. Den Jordanier Mahood B., 26, den dritten auf der Anklagebank, soll Saleh A. mithilfe eines Joints für sein Vorhaben gewonnen haben. Mit einem vierten mutmaßlichen Mitverschwörer soll er sich per Facebook verständigt haben. Abd Arahman K., ebenfalls vom IS nach Deutschland geschleust, sollte die Sprengstoffwesten herstellen. Gegen ihn soll es ein gesondertes Verfahren geben.

Finanzieren wollte Saleh A. den Waffenkauf mit einer hanebüchenen Aktion: Dem Vatikan wollte er ein Video eines in Syrien entführten Jesuitenpaters gegen Geld anbieten. Doch auf dem Weg nach Italien machte er halt in Paris - und ging zur Polizei, "spontan", berichtet die Anklage. Er habe nicht gewollt, dass seine Tochter ihn als Terroristen in Erinnerung behalte, so hat er diesen Schritt begründet. Mithäftlinge im Wuppertaler Gefängnis hätten jedoch gedroht, seiner Tochter werde in Syrien Gewalt angetan, gab sein Anwalt zu Protokoll. Der Prozess wird voraussichtlich bis mindestens Ende des Jahres andauern.

© SZ vom 06.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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