Prozess:Ex-Geheimagent Mauss gerät unter Druck

Werner Mauss, Former Secret Agent, Goes On Trial For Tax Evasion

Die einzigen Fotos vom Prozess: Werner Mauss am ersten Verhandlungstag im September 2016, eingehüllt in eine dunkle Steppjacke samt Kapuze.

(Foto: Getty Images)
  • Der ehemalige Geheimagent Werner Mauss steht in Bochum vor Gericht, weil er mehr als 16 Millionen Euro Steuern hinterzogen haben soll.
  • Dem Gericht fällt es immer schwerer, die Aussagen des 77-Jährigen über die Herkunft des Geldes zu glauben.
  • Mauss behauptet, die Großbank UBS habe von seiner Agententätigkeit gewusst und ihn gedeckt.

Von Ralf Wiegand, Bochum

Es war wieder mal ein Tag zum Vergessen für Werner Mauss. Der inzwischen 77-jährige Geheimagent gerät vor dem Landgericht Bochum immer stärker unter Druck. "Widersprüche ohne Ende" erkannte Richter Markus van den Hövel, der Vorsitzende der 2. Großen Wirtschaftsstrafkammer, auch diesmal wieder in den Aussagen des Mannes, der einst Terroristen jagte und Geiseln befreite oder für große Konzerne in politisch instabilen Gebieten den Boden für lukrative Projekte bereitete. Jetzt steht Mauss in Bochum als Angeklagter vor Gericht, weil er mehr als 16 Millionen Euro an Steuern hinterzogen haben soll, in einem besonders schweren Fall, findet die Staatsanwaltschaft. Und das Gericht hält die neuesten Einlassungen von Mauss, wie van den Hövel an diesem Montag sagte, für "nicht mehr nachvollziehbar".

Mehr Fragen als Antworten wirft der Prozess allerdings auf, seitdem er im September begonnen hat. Immer wieder vertröstete der frühere Top-Agent, der unter anderem in Diensten des Bundeskriminalamts und anderer Bundesbehörden stand, auf seine Befehlsgeber, die angeblich aus einem mysteriösen Geheimbund stammten und ihm ein horrendes Vermögen für seine Operationen zur Verfügung gestellt haben sollen. Dieser Geheimfonds, gespeist von westlichen ausländischen Geheimdiensten und Organisationen, soll zur Finanzierung seiner Operationen in aller Welt gedient haben und bis heute noch dienen. Das Geld sei also gar nicht seines, es stamme auch nicht aus Deutschland, ergo habe er auch keine Steuern darauf zahlen müssen.

Dass er für jenes Vermögen, das durch geschickte Anlagen und zum Teil hochkomplexe Geldtransfers immer größer und nie kleiner wurde, nur als Treuhänder fungiere, soll ein Vertreter jenes Geheimbundes vor Gericht in Bochum bestätigen. Dieser Zeuge, so Mauss' Verteidiger, sei ein hochrangiges Mitglied eines ausländischen Geheimdienstes. Mauss selbst sagt seit Wochen, der Mann könne alles beweisen, er würde "Belege" mitbringen und alles "so erklären, dass es jeder versteht". Seit diesem Montag steht aber in den Sternen, ob der Zeuge tatsächlich aussagen wird: Das Gericht lehnte den Ausschluss der Öffentlichkeit ab, der von den Verteidigern schon für die Stellung des Beweisantrags wie für die Vernehmung des höchstwahrscheinlich aus Israel stammenden Zeugen gestellt worden war.

Er könne eine Gefährdung für Sicherheit oder Leben des Angeklagten oder des Zeugen nicht erkennen, sagte Richter van den Hövel. Der ungewöhnlich umfangreiche Antrag, das Publikum aus dem Gerichtssaal zu verbannen, passte sehr gut in die Welt des Mysteriösen und Geheimen, die Mauss in dem nun bereits sechs Monate laufenden Verfahren aufgebaut hat. Die Ablehnung des Antrags passt aber ebenso gut zur bodenständigen Prozessführung des Vorsitzenden Richters - ein vorläufiger Tiefschlag für die Strategie von Werner Mauss.

Dessen Glaubwürdigkeit ist durch die vielen nicht eingelösten Aufklärungsversprechen und die vom Richter diesmal wieder monierten Widersprüche angeschlagen. Dazu hatte auch die Aussage eines hochrangigen Justiziars der Bank UBS beigetragen, über die Mauss die meisten seiner Geldgeschäfte abgewickelt hat. Der Mann, zuständig für Compliance bei seinem Luxemburger Institut und in dieser Funktion darauf bedacht, dass weder die Bank noch ihre Kunden krumme Geschäfte machen, hatte vor einigen Wochen Mauss indirekt schwer beschuldigt.

Mauss soll Bank mit gefälschten Dokumenten getäuscht haben

Nicht nur, dass der Agent seinen hohen Bargeldbedarf von mehreren Hunderttausend Euro monatlich wahrheitswidrig mit Baumaßnahmen an seinem Anwesen im Hunsrück begründet haben soll, was die Bank geglaubt haben will: Nachdem er der Bank gegenüber zugegeben hatte, die Bauquittungen seien falsch und lediglich Tarnung der wahren Mittelverwendung für Geheimoperationen gewesen, soll er auch noch möglicherweise gefälschte Dokumente vorgelegt haben. Das zumindest legte der Zeuge nahe, der schilderte, seine Bank habe Mauss nur noch Geld geben wollen, wenn ihm Behörden seine geheimdienstliche Tätigkeit bestätigten. Er, Mauss habe daraufhin zwei Dokumente aus Österreich und dem Vatikan vorgelegt, die die UBS an die luxemburgische Finanzaufsicht zur Prüfung gegeben hätte. Dort, so der UBS-Zeuge, habe es "erhebliche Zweifel an der Echtheit" der Papiere gegeben.

Mauss selbst und seine Anwälte griffen die UBS nun an diesem Montag massiv an. Mauss selbst sprach von einer "Intrige" gegen ihn, ausgelöst genau von diesem Zeugen. Nach seiner Darstellung hat die UBS seine Konten und Depots gekündigt, ein Vorgang, den Mauss inzwischen durch ein Rechtsgutachten prüfen ließ. Die Anwaltskanzlei, die er dafür engagierte, ist bereits die fünfte, die direkt oder indirekt mit seinem Steuerverfahren in Bochum befasst ist.

Mauss behauptete in einer von seinem Anwalt verlesenen Erklärung, er persönlich habe im Vatikan und in Österreich die entsprechenden Dokumente eingeholt, den Text habe die Bank vorgegeben. Sowohl die österreichische Aufsichtsbehörde als auch die des Vatikans hätten auf Bitten der Luxemburger Bankaufsicht die Echtheit bestätigt. Als Beweis legte Mauss ein Foto von sich und einem römischen Kardinal vor, das die beiden gemeinsam mit dem geforderten Dokument zeigen soll. Die dauernden Zweifel der UBS an der Vertrauenswürdigkeit des Papiers hätten den Kardinal "zornig" gemacht.

Auch eine Geldwäscheverdachtsmeldung, die die UBS im Zusammenhang mit Mauss und angeblich nur aufgrund eines Zeitungsartikels über die Anklage wegen Steuerhinterziehung abgegeben hätte, sei ohne begründeten Anfangsverdacht erfolgt. Ermittlungen in dieser Sache bei der Staatsanwaltschaft Bochum sind tatsächlich eingestellt worden.

UBS soll von Mauss' Hintergrund gewusst haben

Die UBS, so Mauss, sei über alle seine Geschäfte und auch seinen Hintergrund als Agent sowie seine wechselnden Identitäten seit Jahren informiert gewesen. Wenn der Zeuge nun etwas anderes behauptet habe, dann nur, "weil er auf die Reputation der Bank bedacht ist". Es habe bei der UBS die "stillschweigende Bereitschaft" gegeben, "die Legende aufrechtzuerhalten". Dass die Begründungen für die hohen Barentnahmen, Baumaßnahmen am Eigenheim, falsch gewesen sein, "war unschwer zu erkennen". Die Anwälte fügten eine Art Sündenregister der in etliche Skandale verwickelten UBS an, um die Glaubwürdigkeit des Zeugen in Zweifel zu ziehen.

Mauss hätte mit diesem Vortrag punkten können - wenn er nicht während der Stellungnahme gleich wieder neue Fragen aufgeworfen hätte. So wiederholte er, zum Teil von seinen privaten Konten Geld für operative Geheimdiensttätigkeiten genommen zu haben, etwa für die Finanzierung einer konspirativen Wohnung in Frankfurt oder für exorbitant hohe Telefonkosten. "Warum", fragte der Richter, "wenn es doch genau dafür angeblich den Geheimfonds gab?" Die Erklärung stellte ihn nicht zufrieden, sie sei "in keiner Weise nachvollziehbar". Nach wie vor unaufgeklärt ist auch der Weg, auf dem Mauss sein Gehalt bezog, wie hoch es war und warum es sich ständig veränderte. Die Staatsanwaltschaft rätselt auch noch über ein Vermögen von 8,5 Millionen Dollar, die in Depots auf den Bahamas lagen, und über ungeklärte Zahlungen aus China.

Das alles, versprach Mauss zum x-ten Mal, werde lückenlos und für jeden nachvollziehbar aufgeklärt, er sei da dran. Wie lange das dauern wird? Der Vorsitzende Richter hat schon mal Termine bis Ende Mai festgelegt.

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