Proteste in Syrien dauern an:Ausgerechnet Hama

Die Lage in Syrien bleibt angespannt. Präsident Assad schickt Panzer nach Hama - also in jene Stadt, in der sein Vater 1982 Zehntausende Regimegegner niedermetzeln ließ. Nun wird sich zeigen, ob das Regime den Aufstand mit Gewalt in den Griff bekommt.

Sonja Zekri

Nun also auch Hama. Jener Ort, den Hafis al-Assad, der Vater des jetzigen syrischen Präsidenten, im Jahr 1982 als Hochburg der Muslimbrüder hatte in Trümmer schießen lassen, wo er Zehntausende hatte ermorden lassen. Die militanten Islamisten hatten Dutzende Kadetten der Militärakademie in Aleppo getötet, sie hatten Zivilisten in Aleppo und Latakia angegriffen, sie hatten Autobomben in der Hauptstadt Damaskus gezündet und bei einem Staatsbesuch aus Afrika einen Anschlag auf den Präsidenten verübt. Sie hatten dem verhassten säkularen Regime selbst den Krieg erklärt. Ein Augenzeuge schilderte damals: "Ich gehe ein paar Schritte und sehe einen Berg Leichen, dann einen weiteren. Es müssen zehn oder fünfzehn sein. Die Gesichter waren nicht mehr zu erkennen."

Proteste in Syrien dauern an: Seit Ausbruch der Proteste im März sollen sind inzwischen bis zu 800 Menschen umgekommen.

Seit Ausbruch der Proteste im März sollen sind inzwischen bis zu 800 Menschen umgekommen. 

(Foto: AFP)

Bis heute steht die Mitgliedschaft bei den Muslimbrüdern unter Todesstrafe. Bis heute ist Hama, dessen wiedererrichtete Innenstadt seltsam steril aussieht, ein Symbol für die Bedrohung der nationalen Einheit durch religiösen Extremismus und für einen Krieg des Regimes mit seinen Gegnern. Baschar al-Assad, der Sohn des damaligen Herrschers, hat nun ausgerechnet Hama von Panzern einkreisen lassen. Er hat Soldaten geschickt, lässt willkürlich Menschen verhaften - so wie in den vergangenen Tagen bereits in Banias, in Homs, nördlich von Damaskus, in den Vierteln um die Hauptstadt und in den Dörfern um Deraa. Scharfschützen sollen von Dächern gefeuert haben. Viele Bewohner verließen ihre Städte, und kehrten nicht zurück, selbst wenn die Bombardierung aufhört.

Ob es dem Assad-Regime mit der Gewaltstrategie gelingt, den Aufstand zu ersticken, wird sich an diesem Freitag zeigen. In den belagerten Städten herrscht nach Berichten nervöse Ruhe. In Aleppo allerdings, wo bislang kaum Proteste zu erkennen waren, zogen am späten Mittwoch 2000 Studenten auf die Straße - so viele wie nie zuvor. Einen Tag vor den erwarteten Protesten am Freitag meldeten syrische Medien zudem ein Treffen Assads mit sunnitischen Gelehrten aus Hama. Nach Angaben der staatlichen Agentur Sana hat der neue Ministerpräsident Abdel Safar zudem ein Programm aufgelegt, um 10000 Universitätsabgänger in Behörden anzustellen. Die hohe Arbeitslosigkeit war einer der Kritikpunkte der Aufständischen.

Da fast keine ausländischen Journalisten ins Land gelassen werden, ist kaum festzustellen, wie groß das Ausmaß des Protestes ist. Dorothy Parvaz, die in Damaskus verschwundene Reporterin des Fernsehsenders al-Dschasira, soll inzwischen nach Iran gebracht worden sein. Dies meldet der Sender unter Berufung auf syrische Behörden. Parvaz hat nach Angaben aus Damaskus versucht, mit einem abgelaufenen iranischen Pass einzureisen und sei am Flughafen festgenommen worden. Sie besitzt neben der iranischen auch die amerikanische und kanadische Staatsangehörigkeit.

Unterdessen soll sich die Frau des Präsidenten nach Berichten britischer Medien ins Ausland abgesetzt haben. Der Telegraph meldet unter Berufung auf arabische Diplomaten, Asma, die in Großbritannien geboren ist und bis heute die syrische und britische Staatsbürgerschaft besitzt, sei mit ihren drei Kindern nach London geflohen. Die Ehe von Baschar al-Assad mit der eleganten Asma galt lange als Beweis für die Modernität des Präsidenten. Das britische Außenministerium wollte den Bericht nicht kommentieren.

Menschenrechtsaktivisten sprechen inzwischen von bis zu 800 Toten seit Ausbruch der Proteste Mitte März. Am Donnerstag veröffentlichten sie eine Namensliste, die der Geheimdienst an den Staatsanwalt von Damaskus geschickt haben soll. Darauf sind 27 Bewohner von Deraa verzeichnet, viele offenbar aus derselben Familie, einige unter 18 Jahren, die Proteste organisiert haben sollen. Der Geheimdienst soll den Staatsanwalt gebeten haben, gegen sie vorzugehen.

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