Proteste in der Ukraine:Janukowitsch "empört" über Polizeigewalt

Protesters scuffle with the police during a demonstration in support of EU integration at Independence Square in Kiev

Mit Schlagstöcken ist eine Spezialeinheit der ukrainischen Polizei gegen die Demonstranten auf dem Unabhängigkeitsplatz im Kiew vorgegangen.

(Foto: REUTERS)

Dutzende Menschen sind verletzt und mindestens genauso viele verhaftet worden: Nach der gewaltsamen Auflösung einer Demonstration gegen Staatschef Janukowitsch in Kiew fordert die Opposition Neuwahlen. Janukowitsch reagiert auf die Polizeigewalt "empört".

Die ukrainische Opposition plant aus Protest gegen Präsident Viktor Janukowitsch einen landesweiten Streik. Die Vorbereitungen dazu liefen bereits, sagte einer der drei Oppositionschefs, Arseni Jazenjuk, am Samstag vor Journalisten. Nach der Polizeigewalt müsse außerdem Innenminister Witali Sacharschenko zurücktreten, sagte Jazenjuk. Der Minister müsse vor Gericht gestellt werden. Außerdem müssten die gesamte Regierung sowie Staatschef Viktor Janukowitsch mit einem Rücktritt den Weg frei für vorgezogene Präsidentschafts- und Parlamentswahlen machen. "Wir haben eine gemeinsame Entscheidung gefällt, eine Aktionsgruppe des nationalen Widerstands zu bilden, und begonnen, einen gesamtukrainischen landesweiten Streik vorzubereiten", sagte Jazenjuk.

Außerdem kündigte der Oppositionspolitiker ein Treffen mit allen EU-Botschaftern an. Die ukrainische Opposition rufe "unsere westlichen Partner auf: Die Zeit des Redens ist vorbei", sagte Jazenjuk.

Nach massiver Kritik aus dem In- und Ausland verurteilte Ukraines Präsident Viktor Janukowitsch das gewaltsame Vorgehen der Polizei gegen pro-europäische Demonstranten. Er sei "zutiefst empört" über die Gewalt, erklärte Janukowitsch. "Ich verurteile die Handlungen, die zu einer Konfrontation geführt und Menschen Leid zugefügt haben." Der Staatschef versprach, dass die Verantwortlichen für den Einsatz von Gewalt bestraft würden.

Spezialeinheiten der ukrainischen Polizei hatten in der Nacht zum Samstag gewaltsam eine Demonstration für einen EU-Kurs des Landes aufgelöst. Nach Angaben der Opposition und Medienberichten wurden Dutzende Menschen verletzt. Die Beamten hätten Schlagstöcke eingesetzt, hieß es. Außerdem seien mindestens 35 Protestteilnehmer verhaftet worden.

"So etwas noch nicht erlebt"

Die Opposition warf den Mitgliedern der Spezialeinheit "Berkut" (Steinadler) vor, sie seien unverhältnismäßig hart vorgegangen. "Die Ukraine hat so etwas noch nicht erlebt", kommentierte der oppositionelle Abgeordnete Andrej Schewtschenko den Polizeieinsatz über den Kurznachrichtendienst Twitter. "Meiner Einschätzung nach gibt es Dutzende, vielleicht sogar Hunderte Verletzte", so Schewtschenko von der Vaterlandspartei der inhaftierten Oppositionsführerin Julia Timoschenko. Die Polizei machte zunächst keine Angaben.

Am Vorabend hatten bis zu 10.000 Menschen friedlich für eine EU-Annäherung demonstriert und den Rücktritt von Präsident Viktor Janukowitsch gefordert, weil dieser ein Assoziierungsabkommen mit der EU hatte scheitern lassen. Die Protestierenden skandierten "Revolution". Die Aktivistin Ruslana Lyschischko verlas bei der Kundgebung eine Resolution: "Wir fordern Janukowitsch Rücktritt", hieß es darin. "Wir erklären, dass wir weiter für eine europäische Ukraine kämpfen." Neben ihr standen die Oppositionsführer Arseni Jazenjuk und Vitali Klitschko.

Trotz der seit Tagen dauernden pro-europäischen Massenproteste hatte Präsident Janukowitsch auf dem EU-Gipfel zur Ostpartnerschaft das geplante Assoziierungsabkommen mit der EU nicht unterzeichnet. "Der Präsident hat das Schicksal und die Zukunft der Ukraine verkauft", sagte Jazenjuk, der zu dem Gipfel in die litauische Hauptstadt Vilnius gereist war, vor seiner Rückkehr nach Kiew.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: