Proteste in der arabischen Welt:Die Wut wuchert

Im Jemen mobilisieren Regierungsgegner für einen "Tag des Zorns", in Bahrain gehen die Menschen auf die Straße und auch in Iran gärt es plötzlich wieder: Die Revolte in Ägypten findet immer mehr Nachahmer.

Revolution in Tunesien und Ägypten: Angespornt von den Ereignissen in diesen beiden Ländern verstärken sich auch in anderen arabischen Ländern und in Iran die Proteste - sehr zum Unmut der Potentaten. In Algerien hat das Regime von Abdelaziz Bouteflika am Wochenende eine Protestkundgebung mit einem Großaufgebot von 30.000 Polizisten unterdrückt, die Beamten sollen auf die Demonstranten eingeprügelt haben. Nach Angaben des algerischen Innenministeriums wurden 14 Menschen vorübergehend festgenommen, Menschenrechtsaktivisten sprachen jedoch von landesweit mehr als 300 Festnahmen.

Dennoch scheinen die Proteste Wirkung zu zeigen: An diesem Montag kündigte die Regierung an, dass der seit 19 Jahren geltende Ausnahmezustand aufgehoben werde. "In den nächsten Tagen wird dies der Vergangenheit angehören", sagte Außenminister Mourad Medelci im französischen Radiosender Europe 1. Mit deutlichen Worten verurteilte er die Proteste der Regierungsgegner: Dies sei eine "Minderheitsbewegung", die von Mal zu Mal weniger Zulauf haben werde. "Algerien ist nicht Tunesien, Algerien ist nicht Ägypten", sagte Medelci weiter.

Scharfe Kritik an dem Vorgehen Algeriens kam aus Straßburg und Berlin: EU-Parlamentspräsident Jerzy Buzek forderte die sofortige Freilassung aller Demonstranten in dem nordafrikanischen Land. Die algerische Regierung müsse "von Gewalt absehen und das Recht ihrer Bürger auf friedliche Demonstrationen respektieren", erklärte Buzek in Brüssel.

Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) ermahnte die algerische Führung, keine Gewalt gegen Demonstranten anzuwenden. Die Regierung müsse sich dafür einsetzen, dass grundlegende Menschenrechte wie die Meinungs- und Versammlungsfreiheit garantiert würden, sagte Westerwelle im Deutschlandfunk.

Am Nachmittag werde der algerische Botschafter zu Gesprächen im Auswärtigen Amt erwartet. "Wir werden ganz klar darauf drängen und auch verlangen, dass auf jede Form von Gewalt verzichtet wird", so Westerwelle.

Proteste im Jemen und Bahrain

Auch im Jemen gehen die Proteste weiter: An diesem Montag demonstrierten in der Hauptstadt Sanaa etwa 500 Regierungsgegner. Sie riefen ähnliche Slogans, wie sie auch in der vergangenen Woche auf dem Tahrir-Platz in Kairo zu hören waren: "Das Volk will den Sturz des Regimes" und - an die Adresse von Staatspräsident Ali Abdullah Salih - "Verschwinde!". Ihnen standen nach Angaben von Augenzeugen etwa 100 Gegendemonstranten gegenüber, die Bilder des Präsidenten in die Höhe hielten.

Es war bereits der vierte Tag in Folge, an dem im Jemen demonstriert wurde. Am Sonntag war es bei einer größeren Demonstration in Sanaa zu schweren Zusammenstößen zwischen Regierungsgegnern und den Sicherheitskräften gekommen. Die Polizei hatte mehrere Demonstranten und Journalisten vorübergehend festgenommen.

Zu Zusammenstößen zwischen Demonstranten und der Polizei ist es auch im Golfstaat Bahrain gekommen: Vor einer geplanten Protestaktion von Regierungsgegnern setzten die Polizisten nach Angaben von Augenzeugen Tränengas und Gummigeschosse ein, mehrere Menschen seien verletzt worden. Die Opposition hatte in der überwiegend von Schiiten bewohnten Ortschaft Newidrat im Südwesten des Inselstaats zu einer Großdemonstration gegen die sunnitische Regierung aufgerufen. Die schiitische Bevölkerungsmehrheit im Königreich Bahrain wirft der sunnitischen Führungsschicht Diskriminierung vor.

Hausarrest für Oppositionspolitiker in Iran

Restriktiv geht die Regierung in Iran vor: Die Oppositionspolitiker Mir-Hossein Mussawi und Mehdi Karubi hatten eine Kundgebung zur Unterstützung des ägyptischen und des tunesischen Volkes beantragt, der Antrag wurde abgelehnt. Die iranische Führung warf den beiden Politikern vor, die Massenproteste in Ägypten und Tunesien, die dort zum Sturz der Staatschefs geführt hatten, als Vorwand für eine Demonstration gegen die Regierung in Teheran zu missbrauchen.

Die iranische Polizei blockierte den Zugang zum Haus von Mussawi und legte seine Telefonleitungen lahm. Mussawi und seine Frau Sahra Rahnaward können seit Sonntag weder mobil noch über den Festnetzanschluss telefonieren, berichtete Mussawis Website Kaleme.com. Die Zufahrt zum Haus sei mit mehreren Polizeiwagen versperrt worden. Auch der iranische Oppositionspolitiker Mehdi Karubi wurde mit einem Besuchsverbot bis Montag belegt.

Trotz des Demonstrationsverbots zogen in der Hauptstadt Teheran nach Augenzeugenberichten Hunderte in Richtung Freiheitsplatz. Es kam zu Zusammenstößen zwischen Regierungsgegnern und Sicherheitskräften. Nach Augenzeugenberichten wurde bei einer Protestkundgebung Tränengas gegen Demonstranten eingesetzt. Die Demonstranten sollen "Tod dem Diktator" gerufen haben und sich auf der nahegelegenen Enghelab-Allee neu gesammelt haben. Bereits im Vorfeld hatte Generalstaatsanwalt Abbas Dschafari Dolatabdi angekündigt, die Polizei und die anderen Sicherheitsbehörden würden "in den kommenden Tagen ihre Pflicht tun".

In der Folge der umstrittenen Wiederwahl von Irans Staatschef Mahmud Ahmadinedschad im Juni 2009 war das Land von wochenlagen Massenprotesten erschüttert worden. Die Sicherheitskräfte gingen massiv gegen die Demonstranten vor: Dutzende Menschen kamen bei den Protesten ums Leben und Tausende wurden festgenommen.

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