Proteste in Birma:"Es ist gefährlich, offen zu sein"

Pingnya, 27, ist Mönch in einem buddhistischen Kloster in Nordbirma. Näher darf er nicht beschrieben werden, es ist gefährlich, gegen das Militärregime aufzubegehren. Während des Interviews wechseln wir drei Mal den Ort.

Maike Zürcher

SZ: Müssen Sie ständig auf der Hut vor Spitzeln und Geheimdienst sein?

Pingnya: Sie sind überall. In jedem Kloster. Mönche spionieren Mönche aus. Sogar manche Lehrer sind Spione.

SZ: Haben Sie einen Blick dafür, wer ein Spion ist?

Pingnya: Manchmal. Oft ist es einer, der einfach dazukommt, nur zuhört, nicht spricht.

SZ: Halten Sie sich an das Verbot, nicht über Politik zu reden?

Pingnya: Nein, mit meinen Freunden rede ich viel darüber. In diesem Land lernt man eine Art Geheimsprache, zwischen den Zeilen zu lesen und zu sprechen. Manchmal, wenn ich Buddhismus unterrichte, rede ich indirekt über das Regime. Die Leute wissen sofort, was ich meine. Aber es ist gefährlich.

SZ: Wie gefährlich?

Pingnya: Vor drei Jahren wurde einer meiner Lehrer verhaftet. Seitdem ist er im Gefängnis, weil er zu offen über das Regime gesprochen hat. Wir haben eine Demonstration veranstaltet, mit 3000 Mönchen. Das Militär hat uns umzingelt und ins Kloster getrieben. Vier junge Novizen sind nicht schnell genug gelaufen. Die Soldaten haben ihnen in die Beine und einem in die Hüfte geschossen. Wir wollten sie mit ins Kloster retten, aber sie wurden von den Soldaten weggebracht, in den Palast (ehem. Königspalast, heute Militärgebäude, Anm. d. Red.). Wir haben seitdem nichts mehr von ihnen gehört.

SZ: Wie ist Ihre Meinung zum Tourismus in Birma? Schwächt oder stärkt es das Regime, wenn Ausländer hierher kommen?

Pingnya: Individualtouristen sind gut für uns. Von ihnen bekommen wir Informationen, ihnen können wir von unserer Situation erzählen. Aber organisierte Gruppenreisen sind nicht gut. Das Geld geht direkt an das Regime. Und die Reiseführer lügen, wenn sie den Reisegruppen von unserem Land erzählen. Sie bekommen genau vorgeschrieben, was sie sagen dürfen und was nicht. Wer als Pauschaltourist kommt, hört nicht auf ,,unsere Mutter'', die sagt, es sollen keine Touristen ins Land kommen.

SZ: Mit ,,unsere Mutter'' meinen Sie Aung San Suu Kyi, die unter Hausarrest stehende Oppositionspolitikerin?

Pingnya: Ja, das ist eine Art Codewort, um den Namen nicht aussprechen zu müssen.

SZ: Wird die politische Situation schlimmer werden?

Pingnya: Ja. Die USA und Europa haben den Handel mit Birma gestoppt. Das trifft vor allem die Menschen, die noch ärmer werden. Der Regierung ist es egal. Die bekommt von China genügend Unterstützung. Die US-Armee sollte das Regime beseitigen - so wie sie Saddam Hussein beseitigt hat!

SZ: Sie als Buddhist setzen auf Krieg und Kampf?

Pingnya: Buddhisten wollen keine Gewalt. Trotzdem hoffe ich, dass es so kommt. Es ist die einzige Lösung. Wir lächeln, während in Wirklichkeit unsere Herzen weinen.

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