Proteste in Ägypten:Der wankende Präsident

Hosni Mubarak ist am Ende: Sein Volk weist ihm die Tür, seine internationalen Freunde wenden sich ab - und wie lange die Streitkräfte noch zu ihm halten, wird sich zeigen.

Tomas Avenarius, Kairo

Es war die Rede eines uneinsichtigen alten Mannes. Mit versteinertem Gesicht trat Hosni Mubarak am Freitag vor das ägyptische Volk - auf dem Fernsehschirm. "Wir müssen aufpassen, dass es kein Chaos gibt", sagte Ägyptens Staatspräsident. Er hatte zuvor die Armee rufen müssen, damit sie ihn und sein Regime vor dem Volk schützt. In Kairo brannte die Zentrale der verhassten Mubarak-Partei NDP.

Anti Government Protesters Take To The Streets In Cairo

Verhasster Präsident: Ein Demonstrant fordert in Kairo den Rücktritt von Hosni Mubarak.

(Foto: Getty Images)

"Ich habe mein Leben lang für diese Nation gearbeitet", so begründete der 82-jährige die Weigerung, nach den schwersten Unruhen der letzten drei Jahrzehnte zurückzutreten. Ja, er achte die Jugend und ihre Wünsche. Aber Demokratie, die brauche einfach Zeit. Sozialer Fortschritt auch. Der Greis schob die Schuld für die sozialen Probleme auf seine willfährige Technokraten-Regierung, entließ kurzerhand das ganze Kabinett. Am Samstag ernannte er zum ersten Mal seit seinem Amtsantritt vor fast 30 Jahren einen Stellvertreter, den Geheimdienstchef Omar Suleiman.

Doch das wird ihm alles nicht helfen: Mubaraks Ägypten ist aufgebaut wie eine Pyramide. Der politisch für alles verantwortliche Mann sitzt ganz oben an der Spitze - es ist der Präsident. Deshalb ruft das Volk unbeeindruckt: "Nieder mit Mubarak!" Jetzt, wo er einen Stellvertreter hat, könnte der Präsident zurücktreten, ohne dass es zu Neuwahlen käme. Doch auch Suleiman an der Spitze ihres Staates wird die Ägypter nicht zufriedenstellen.

Am Tag nach der inhaltslosen Fernsehrede standen die Protestierenden wieder auf der Straße. Nachdem es ihnen am Vortag gelungen war, Mubaraks Prügelpolizisten in die Ecke zu treiben, wollen sie sich nicht länger vom "Pharao" abspeisen lassen. Es gab bereits 90 Tote, bald könnten es viel mehr sein. Die Armee steht auf der Straße, doch die Regimegegner sind bereit, ihren Preis zu bezahlen. Sie setzen an zum letzten Schlag gegen den wankenden Präsidenten, der nicht länger ihr Präsident ist.

Die Demonstranten hoffen, dass die Armee nicht schießen wird: Die ägyptischen Soldaten stehen zwar auf allen Plätzen vor den wichtigsten öffentlichen Gebäuden. Sie sind den verbliebenen Mubarak-Polizisten aber nicht zu Hilfe geeilt, lassen sich stattdessen mit den Demonstranten auf den Panzern fotografieren, setzen die nächtliche Ausgangssperre nicht durch. Längst gibt es Berichte über mögliche "Meinungsverschiedenheiten" zwischen den Armeeoffizieren und Mubarak.

Richtig verlassen auf seine Soldaten kann sich der "Oberbefehlshaber der ägyptischen Streitkräfte" nicht mehr, geschweige denn auf internationale Unterstützung hoffen. US-Präsident Barack Obama hat ebenfalls eine kurze Ansprache gehalten. Er hat klargestellt, dass "das die USA die Wünsche des ägyptischen Volkes unterstützen."

Diplomatisch verklausiert hat der Präsident des wichtigsten internationalen Finanziers des Mubarak-Regimes den Machthaber zur Rücktritt aufgefordert. Direkt sagen konnte der US-Präsident es nicht, aber er hat genau das gemeint. Deshalb hat er angedroht, die üppigen amerikanischen Finanzhilfen für Ägypten zu kürzen.

Mubarak ist am Ende: Sein Volk weist ihm die Tür, seine internationalen Freunde wenden sich ab. Nur einer sieht das noch nicht ein: Hosni Mubarak.

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