Proteste gegen Mohammed-Video:Nur konsequentes Kleinmachen hilft

Das Mohammed-Video ist eine billige Montage von Schmähungen. Seine Macher wollen damit wütende Proteste auslösen, um dann mit dem Finger auf die Krawallmacher zeigen zu können. Ein Verbot wäre daher die falsche Reaktion. Stattdessen sollte man vom Umgang mit NPD-Aufmärschen lernen.

Matthias Drobinski

Man schaut sich diese 14 Minuten an, dann möchte man erbrechen. Man ekelt sich vor dem schmierigen Ton und der billigen Montage des Machwerks, das Mohammed als triebgesteuerten Gewalttäter darstellt. Man ekelt sich noch mehr vor dem zynischen Kalkül der Macher und Verbreiter aus dem weltweiten Kreis der christlichen Hassprediger. Da wollte jemand, dass es brennt. Da hat jemand dem eigenen Hass freien Lauf gelassen, um Hass auf der anderen Seite zu provozieren und zu mobilisieren, damit die Welt sieht, welch schlimme Gewalttäter die anderen sind.

Protest against anti-Islam movie

In Pakistan demonstrieren auch Christen gegen den Schmähfilm. Auf ihrem Banner steht: "Wir, die christliche Gemeinde, verurteilen den antiislamischen Film."

(Foto: dpa)

Es hat geklappt. Nun brennen Botschaften, sterben Menschen, haben militante Muslime freie Bahn. Man möchte wieder erbrechen: Weil das ein Zeichen der Zeit ist und keine einzelne Verirrung.

Es ist ein Zeichen für die weltweit zunehmende Fundamentalisierung der Religion und der religiösen Aufladung der Fundamentalismen. Es ist die Nachtseite des Gedankens vom einzigen Gott, dass man ihn missbrauchen kann zur Abwertung der anderen und zur Militarisierung des Eigenen. Er verführt, dem eigenen Macht- und Gewaltstreben einen Sinn anzukleben und ein höheres Ziel zu geben; den eigenen Intoleranzen und Ängsten tiefere Bedeutung zu verleihen. Der Gedanke vom ausschließenden Gott ist auch verführerisch für die Religionen selber - im weltweiten Kampf um das knappe Gut Sinn siegt, wer das am schärfsten profilierte Heilsangebot hat.

Das gilt für jene Muslime, die von sich behaupten, Gotteskämpfer zu sein, das gilt für militante jüdische Siedler, das gilt für christliche Fundamentalisten vom Schlage eines Pastors Jones. Auch durch das Internet hat dieser Fundamentalismus keine nationalen Schranken mehr. Er hat sich beschleunigt, ist ubiquitär; die antimuslimische Splittergruppe Pro Deutschland hat den Trailer des Films auf die Homepage gestellt und will diesen nun in voller Länge zeigen, in der gleichen Absicht wie der koptisch-amerikanische Macher, der sich erst als Jude ausgab: Ist doch super, wenn es Krawall gibt, da sieht man, wie sie ticken, die Muslime.

Muss man so etwas nicht verbieten? Um die Angehörigen der deutschen Botschaften zu schützen, um den Religionsfrieden in Deutschland nicht zu gefährden? Man kann verstehen, dass die Polizeigewerkschaft ein Aufführungsverbot des Videos wünscht, der CDU-Innenexperte Wolfgang Bosbach es fordert, und Angela Merkel dafür "gute Gründe" sieht.

Die wahre Blasphemie ist die Fundamentalisierung

Allein: Ein Verbot wird nicht helfen. Der Gotteslästerungsparagraf des Strafgesetzbuchs bleibt in diesem Fall eine stumpfe Waffe. Der Film an sich vermeidet strafbare Inhalte. Er ist ekelhaft im Dumpfen, das er transportiert - dumpf zu sein und hasserfüllt ist aber kein Straftatbestand. Und allein, dass er den öffentlichen Frieden stören könnte (erst dann greift der Gotteslästerungsparagraf), dürfte auch kein hinreichender Grund für ein Verbot sein - der befürchtete Krawall darf nicht die Grenze der Meinungsfreiheit bestimmen.

Proteste gegen Mohammed-Video: "Die Ehre unseres Propheten kommt vom Himmel, niemand auf Erden kann sie ihm nehmen": Mit diesem Slogan protestieren in Lahore pakistanische Anwälte gegen das Mohammed-Video.

"Die Ehre unseres Propheten kommt vom Himmel, niemand auf Erden kann sie ihm nehmen": Mit diesem Slogan protestieren in Lahore pakistanische Anwälte gegen das Mohammed-Video.

(Foto: AFP)

Es gibt diese Grenzen, deshalb lässt die Bundesrepublik den Koranverbrennungspastor Jones aus gutem Grund nicht einreisen und weist muslimische Hassprediger aus, die hier zum angeblich heiligen Krieg aufrufen. Ein Verbot des Machwerks aber gäbe der Handvoll Aktivisten von Pro Deutschland Gelegenheit, sich als Märtyrer der Meinungsfreiheit zu stilisieren - und am Ende noch vor Gericht recht zu bekommen.

Es gibt trotzdem alle guten Gründe, sich gegen das Schmähvideo zu wehren, für alle Christen und Muslime. Sie sollten sich gegen die Fundamentalisierung der Religion wehren. Das ist die wahre Blasphemie, die hinter diesem Video sichtbar wird: Da vereinnahmt jemand Gott für sich, beansprucht das Deutungsmonopol über ihn. Er nimmt Gott das Fremde, Unvereinnahmbare, er macht ihn zu seinem eigenen Haus- und Hofgott, der alle beißt, die fremd über die Schwelle treten. Justiziabel ist diese Blasphemie nicht, eine Gefahr aber allemal.

Wie man ihr begegnen kann? Am besten so, wie seit Jahren die Bürger von Dresden und inzwischen vielen anderen Städten den braunen Aufmärschen der NPD begegnen. Auch bei ihrem Anblick möchte man erbrechen, aber auch sie sind nicht einfach zu verbieten, weil erst einmal auch jene Meinungen frei sind, die man als ekelhaft empfindet. Doch wenn inzwischen die Kameraden losmarschieren wollen, sind da auf einmal ziemlich viele andere Menschen. Und das Martialische der Springerstiefeltruppe wird zwergenhaft und lächerlich.

Das also sollte die friedliche und tolerante Mehrheit im Land tun: den Anti-Mohammed-Film samt seiner deutschen Protagonisten konsequent verzwergen und den Pro-Deutschland-Fundis die Luft ablassen.

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