Proteste gegen Militärrat:Gewalt in Kairo reißt nicht ab

Keine Entspannung auf dem Tahrir-Platz: Die Zugeständnisse des Militärrats gehen den Demonstranten nicht weit genug, noch immer kommt es zu Straßenschlachten zwischen Oppositionellen und der Polizei. Auch die Bundesregierung verfolgt die Auseinandersetzungen mit "großer Sorge".

Trotz der Zusage eines vorgezogenen Machtwechsels ist es in Ägypten erneut zu Straßenschlachten zwischen Gegnern des Militärrats und Sicherheitskräften gekommen. Auf dem Tahrir-Platz im Zentrum Kairos setzte die Polizei Tränengas gegen Steine werfende Demonstranten ein. Diese erklärten, die staatlichen Einsatzkräfte hätten sie außerdem mit Schrot- und Gummigeschossen angegriffen. Am Mittwochmorgen hattte sich die Lage zwischenzeitlich beruhigt.

Clashes in Tahrir square

Den fünften Tag in Folge kommt es in Kairo zu Straßenschlachten zwischen Polizei und Demonstranten.

(Foto: dpa)

Die Totenzahl der seit dem Wochenende anhaltenden Proteste stieg unbestätigten Angaben zufolge auf 37, nachdem in der Hafenstadt Alexandria ein weiterer Mensch ums Leben kam. UN-Menschenrechtskommissarin Navi Pillay forderte eine unabhängige Untersuchung und rief die ägyptischen Behörden dazu auf, "die ganz klar exzessive Anwendung von Gewalt gegen Demonstranten" zu beenden. Bundeskanzlerin Angela Merkel appellierte ebenfalls an den Militärrat und die Sicherheitskräfte, nicht mit Gewalt gegen friedliche Demonstranten vorzugehen.

Vielen Demonstranten gingen die Zugeständnisse, die der Chef des Militärrats, Mohammed Hussein Tantawi, am Vorabend gemacht hatte, nicht weit genug. Der Feldmarschall hatte in einer Fernsehansprache zugesagt, die Präsidentenwahl und damit die Übergabe der Macht an ein ziviles Staatsoberhaupt um etwa ein halbes Jahr auf Juni 2012 vorzuziehen. Ursprünglich hatte das Militär jedoch erklärt, spätestens sechs Monate nach dem Sturz von Präsident Husni Mubarak im Februar in die Kasernen zurückzukehren.

Damals hatte der Militärrat de facto die Führung Ägyptens übernommen, zunächst noch mit großer Unterstützung der Öffentlichkeit, da er zum Ende der Ära Mubarak beigetragen hatte. Nun aber lässt der Übergang zur Demokratie auf sich warten. Viele Ägypter haben das Gefühl, dass sich trotz der Revolution im Land nicht wirklich etwas geändert hat. Auch Tantawis Angebot, früher abzutreten, wenn dies per Volksabstimmung entschieden werden sollte, stößt auf Argwohn. Viele sehen darin ein leeres Versprechen, das nur darauf abzielt, die eskalierende Lage wieder in den Griff zu bekommen.

"Hau ab, hau ab."

"Hau ab, hau ab. Das Volk will den Marschalls stürzen", skandierten denn auch Demonstranten auf dem Tahrir-Platz, die dort einmal mehr zum Teil die ganze Nacht ausgeharrt hatten. Andere hängten eine Puppe auf, die Tantawi darstellen sollte. Viele trugen Atemschutzmasken, um sich vor den Tränengasschwaden zu schützen. Rettungswagen fuhren die Verletzten davon.

"Mit Tagesanbruch haben sie angefangen, uns zu beschießen, weil sie uns dann sehen konnten", sagte ein 32 Jahre alter Möbeltischler. Die Polizei hat erklärt, sie habe keine scharfe Munition eingesetzt. Doch Ärzten zufolge wiesen viele der Menschen, die in den vergangenen fünf Tagen getötet wurden, Schusswunden auf.

Die Hohe Kommissarin der Vereinten Nationen für Menschenrechte, Navi Pillay, erklärte, offensichtlich seien Tränengas, Gummigeschosse und scharfe Munition gegen Demonstranten eingesetzt worden. Das Vorgehen des Militärs und der Sicherheitskräfte habe die Lage nicht verbessert, sondern aufgepeitscht. "Wir erleben einen weiteren Gewaltausbruch durch den Staat gegen seine zunehmend und zu Recht verärgerten Bürger."

"Im neuen Ägypten, das ja freiheitlich und demokratisch sein will, kann Unterdrückung und kann auch Gewalt gegen friedliche Demonstranten keinen Platz haben", sagte der deutsche Regierungssprecher Steffen Seibert. Merkel verfolge die Zuspitzung der Situation mit großer Sorge. Aus Sicht der Bundesregierung sei die Forderung der Demonstranten nach einem schnellen Übergang zu einer zivilen Regierung verständlich. Mit den verschiedenen Oppositionsgruppen müsse der Militärrat einen Plan entwickeln, wie der Übergang zu einer wirklichen Demokratie und zur Wahl eines demokratisch legitimierten Präsidenten gestaltet werden solle.

Auch der britische Außenminister William Hague hat den Einsatz von Waffen und Tränengas bei den Unruhen in Ägypten scharf verurteilt. "Ich mache mir wegen der nicht akzeptablen Gewalt und dem Verlust von Menschenleben, die um den Tahrir-Platz in Kairo und in anderen Teilen Ägyptens zu beobachten sind, große Sorgen", sagte Hague. "Ich fordere die ägyptischen Behörden auf, das Recht der Menschen auf friedlichen Protest zu wahren und die Gewalt gegen Demonstranten sofort einzustellen."

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