Proteste gegen "Charlie Hebdo":Demonstranten im Niger zünden Kirchen an

Proteste gegen "Charlie Hebdo": Protest gegen "Charlie Hebdo": In der Hauptstadt Niamey brennt nahe der Großen Moschee ein Auto.

Protest gegen "Charlie Hebdo": In der Hauptstadt Niamey brennt nahe der Großen Moschee ein Auto.

(Foto: AFP)
  • In Deutschland ist die jüngste Ausgabe von Charlie Hebdo am Samstag binnen Minuten ausverkauft.
  • In vielen Ländern demonstrieren Muslime gegen das französische Satiremagazin.
  • Im westafrikanischen Niger werden mehrere katholische Kirchen in Brand gesteckt. Mindestens zehn Menschen kommen uns Leben.
  • Einer der Terroristen von Paris ist anonym beigesetzt worden.

Neue Ausschreitungen im Niger

Einen Tag nach den gewaltsamen Protesten gegen die Mohammed-Karikatur der jüngsten Charlie Hebdo-Ausgabe im Niger hat es in dem westafrikanischen Land heftige Zusammenstöße gegeben. Dabei sind nach Angaben aus Polizeikreisen innerhalb von zwei Tagen mindestens zehn Menschen getötet worden.

In der Hauptstadt Niamey seien zwei Kirchen angezündet worden, berichtete der AFP-Journalist Birahim Ousmane am Telefon. In dem niedergebrannten Gebäude seien später zwei Leichen gefunden worden. Nach Informationen der Nachrichtenagentur Reuters wurden auch in mehreren Städten katholische Kirchen in Brand gesteckt.

In Zentrum von Niamey verbrannten Demonstranten eine französische Flagge und errichteten Straßenblockaden. Die französische Botschaft rief ihre Landsleute auf, nicht auf die Straße zu gehen. Die Polizei ging am Samstag mit Tränengas gegen Demonstranten in Niamey vor. Zu den von den Behörden untersagten Protesten nahe der Großen Moschee der Stadt versammelten sich mindestens tausend Jugendliche. Einige von ihnen bewarfen die Einsatzkräfte mit Steinen, andere zündeten Autoreifen an. Demonstranten auf Motorrädern skandierten "Allah Akbar" (Gott ist groß).

Bereits am Freitag hatte es in Zinder, der zweitgrößten Stadt Nigers, schwere Ausschreitungen aus Protest gegen die Mohammed-Karikatur in der neuen Ausgabe von Charlie Hebdo gegeben. Mindestens fünf Menschen wurden getötet, 45 weitere verletzt. Der französische Präsident François Hollande unterstrich angesichts der Proteste die Bedeutung der Freiheitsrechte. "Frankreich hat Prinzipien und Werte, darunter besonders die Meinungsfreiheit", sagte er.

"Charlie Hebdo" in Deutschland zu kaufen

Zehn Tage nach den Terroranschlägen von Paris erschien die erste Ausgabe des französischen Satiremagazins am Samstag auch in Deutschland - und war wie in anderen europäischen Ländern binnen Minuten ausverkauft. Hunderte Menschen harrten nachts teils stundenlang vor noch geschlossenen Zeitungsläden aus, nur um dann mit leeren Händen nach Hause zu gehen.

Vor einem Buch- und Zeitschriftengeschäft im Berliner Hauptbahnhof warteten gegen fünf Uhr morgens etwa 100 Menschen, um bei Ladenöffnung ein Heft zu kaufen. Doch lediglich die ersten beiden in der Reihe hatten Glück. Auch in Hamburg gelang es vielen nicht, eine Ausgabe zu bekommen. Das Interesse an Charlie Hebdo ist nach den Anschlägen von Paris so groß wie noch nie. Vor den Attentaten wurden 60 000 Hefte gedruckt. Danach sollte das Magazin zunächst mit drei, dann mit fünf Millionen Exemplaren erscheinen, am Samstag wurde die Auflage auf sieben Millionen erhöht. Vorbereitet wird noch eine digitale Fassung in vier Sprachen.

Nach Deutschland kam zunächst nur ein kleiner Teil der Auflage, weil der Ansturm auf die Hefte in Frankreich gewaltig war. Dort erschien die Ausgabe vergangenen Mittwoch. In Deutschland wurden vor allem Hauptbahnhöfe, Flughäfen und Großstadt-Kioske beliefert. Im Geschäft kostete ein Exemplar vier Euro, im Internet wechselten die französischsprachigen Hefte wenig später schon für bis zu 100 Euro den Besitzer.

Attentäter Saïd Kouachi in Reims beigesetzt

Der von der Polizei erschossene Charlie Hebdo-Attentäter Saïd Kouachi ist nach Informationen der Nachrichtenagentur AFP und der Senders France TV derweil im nordostfranzösischen Reims beigesetzt worden. Er habe sich den Vorschriften beugen müssen, sagte Bürgermeister Arnaud Robinet am Samstag. Robinet hatte zunächst angekündigt, er wolle eine Beisetzung in seiner Stadt mit allen Mitteln verhindern. Der Bürgermeister fürchtete, das Grab könne sich zu einer Art Pilgerstätte für Islamisten entwickeln.

Das Begräbnis fand Freitagnacht unter Polizeischutz und im Beisein von Angehörigen Kouachis statt. Saïd Kouachi wurde in einem anonymen Grab bestattet, der Name des Friedhofs wurde nicht genannt. Sein Bruder Chérif Kouachi soll nach dem Wunsch seiner Witwe in Gennevilliers im Großraum Paris beigesetzt werden. Chérif Kouachi hatte zuletzt in Gennevilliers gelebt. Der Bürgermeister erklärte, er habe deshalb "keine andere Wahl", als ihn dort bestatten zu lassen.

Im Fall des dritten Terroristen Amedy Coulibaly, der für die Geiselnahme im koscheren Supermarkt verantwortlich war, sollen die Angehörigen noch keine Entscheidung getroffen haben.

Proteste auch in Pakistan und Israel

Nicht nur im Niger, auch in der in der südpakistanischen Stadt Karachi kam es am Freitag wegen der neuen Ausgabe der Satirezeitschrift zu schweren Zusammenstößen. Etwa 400 Anhänger einer islamistischen Partei hätten nach dem Freitagsgebet versucht, das französische Generalkonsulat zu stürmen, sagte der ranghohe Polizist Pir Mohamed Shah. Drei Menschen seien verletzt worden. Darunter ist nach Angaben der französischen Nachrichtenagentur AFP auch einer ihrer Fotografen.

AFP teilte mit, der pakistanische Fotograf sei schwer verletzt worden, er habe eine Schusswunde erlitten. Demonstranten und die Polizei machten sich gegenseitig für die Schüsse verantwortlich. Die Polizei hatte zunächst mitgeteilt, Sicherheitskräfte hätten in die Menge geschossen, dementierte das aber nach der Verwundung des Fotografen wieder. Der Polizist Shah sagte, paramilitärische Truppen seien zur Verstärkung gerufen worden, um das französische Konsulat zu schützen. Unklar war, ob sich Personal in der diplomatischen Vertretung aufhielt.

Insgesamt gingen in Pakistan nach Polizeiangaben Hunderttausende Menschen gegen Mohammed-Karikaturen auf die Straßen. Islamistische Gruppen und Parteien hatten zu Protestmärschen aufgerufen. Angebliche Beleidigungen des Propheten Mohammed haben in Pakistan schon häufiger zu gewaltsamen Protesten mit Toten geführt. Blasphemie kann nach pakistanischem Recht mit dem Tod bestraft werden.

Der pakistanische Premierminister hatte die Veröffentlichung der Mohammed-Karikatur auf dem Titel von Charlie Hebdo kritisiert. "Meinungsfreiheit sollte nicht dazu genutzt werden, religiöse Gefühle zu verletzen", sagte er. Das Parlament in Islamabad hatte die Mohammed-Karikatur einstimmig verurteilt.

Französische Flagge in Jerusalem verbrannt

Auch in Algerien demonstrierten Tausende. Die Demonstrationszüge unter dem Motto "Wir sind alle Mohammed" nach dem Freitagsgebet in der Hauptstadt Algier wurden nach Angaben von Augenzeugen von einem massiven Polizeiaufgebot begleitet. Einige Demonstranten huldigten demnach auch den Attentätern von Paris und bezeichneten diese als "Märtyrer".

Mehrere Hundert Palästinenser demonstrierten in Jerusalem gegen die Mohammed-Karikatur. Wie die palästinensische Nachrichtenagentur Maan berichtete, versammelten sich die Menschen nach dem Freitagsgebet auf dem Tempelberg. Am Ende des Zuges soll die französische Flagge verbrannt worden sein. Der Großmufti von Jerusalem hatte die neue Darstellung des Propheten zuvor verurteilt, sich aber auch gegen jede Form des Terrors ausgesprochen.

In der jordanischen Hauptstadt Amman verhinderte die Polizei einen Protestmarsch gegen Charlie Hebdo, wie die jordanische Zeitung Al-Ghad im Internet berichtete. Es sei zu Rangeleien mit der Polizei gekommen. Sicherheitskräfte hätten vier Demonstranten festgenommen.

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