Proteste gegen Castor-Transport:Stop-and-go auf dem Weg nach Gorleben

Brennende Autos, Blockaden, Böller: Immer wieder kommt der Castor-Transport auf dem Weg zum Verladebahnhof Dannenberg zum stehen. Der Ort bereitet sich auf eine Großdemonstration vor. Bei Ausschreitungen in der Nacht wurden zahlreiche Personen verletzt. Polizei und Atomkraftgegner beschuldigen sich gegenseitig, die Gewalt ausgelöst zu haben.

Je näher der Castor-Transport seinem Ziel Gorleben kommt, desto heftiger wird der Widerstand. Begleitet von Protesten hat der Castor-Transport mit Atommüll am Samstagmorgen Niedersachsen erreicht. Bei Eichenberg in der Nähe von Göttingen musste der Zug wegen Gleisblockaden stoppen. Ein Polizeisprecher in Lüneburg sagte, es seien rund 20 Menschen auf den Gleisen.

Castor-Transport

Demonstranten gegen den Castor-Transport gehen bei Metzingen zum 'Schottern' der Gleise.

(Foto: dpa)

In der Nacht hatte es in Niedersachsen heftige Zusammenstöße zwischen Demonstranten und der Polizei gegeben. Es kam erneut ein Wasserwerfer zum Einsatz, weil laut Polizei Atomgegner eine Straße blockierten und Steine auf Einsatzkräfte warfen.

Bei Ausschreitungen zwischen Castor-Gegnern und Polizisten in der Nacht zum Samstag im niedersächsischen Metzingen sind 22 Polizisten verletzt worden. Die Sicherheitskräfte hätten Wasserwerfer und Schlagstöcke eingesetzt, nachdem sie zuvor aus dem örtlichen Widerstandscamp mit Flaschen, Steinen und Pyrotechnik beworfen worden sei, sagte ein Polizeisprecher am Samstag . Die Castor-Gegner bestritten die Vorwürfe. "Die Gewaltspirale ging von der Polizei aus", sagte der Besitzer des Camp-Geländes, Peter-Wilhelm Timme.

In der Pfalz musste der Konvoi am Freitagabend einen außerplanmäßigen Stopp für etwa zwei Stunden einlegen. 70 bis 100 Demonstranten waren nach Angaben der Bundespolizei bei Haßloch in einem Abschnitt von etwa drei Kilometern auf die Schienen gestürmt und hatten so die Weiterfahrt zunächst blockiert. Einem Demonstranten gelang es, den stehenden Zug zu besteigen, ein Transparent hochzuhalten und dann unerkannt zu verschwinden. Nachdem die Polizei die Schienen "weitgehend friedlich" geräumt hatte, fuhr der Zug in Richtung Hessen weiter. Die Polizei nahm etliche Protestierende in Gewahrsam und sprach eine große Zahl von Platzverweisen aus.

In Haßloch hatten nach Angaben der Initiatoren 200 bis 300 Castor-Gegner protestiert. Sie hatten schon zuvor versucht, die Zugstrecke zu besetzen. Nach Augenzeugenberichten konnte die Polizei zunächst noch mit einem Großaufgebot verhindern, dass Demonstranten auf die Gleise gelangten. Dabei kam es zu Rangeleien. Die Polizei riegelte mehrere Straßen in Richtung der Gleise ab. Über dem Ort kreiste ein Hubschrauber.

Bei Protesten im Wendland setzte die Polizei wie schon am Vorabend Wasserwerfer gegen Demonstranten ein. Polizisten seien massiv mit Steinen angegriffen worden, sagte ein Sprecher der Polizei in Lüneburg. In einem Waldgebiet zwischen Leitstade und Grünhagen an der Castor-Schienenstrecke sollen sich rund 200 bis 300 Menschen versammelt haben.

Nach Angaben der Polizei flogen Molotowcocktails und Böller, zwei Streifenwagen wurden in Brand gesetzt. Er sprach von einem ungewöhnlichem Ausmaß an Aggressivität: "Wir sind schon überrascht, dass es so rustikal zugeht." Einige Demonstranten hätten versucht, Steine aus dem Gleisbett entlang der Castor-Schienenstrecke zu entfernen.

Die Polizei teilte mit, man habe mit "diesem Ausmaß der Aggressivität" nicht gerechnet. Auch Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU) sagte zu den Auseinandersetzungen mit gewaltbereiten Demonstranten: "Die Vehemenz und der frühe Zeitpunkt überraschen mich schon sehr." Sonst habe es solche Proteste erst in der heißen Phase des Transports gegeben.

Kritik an hartem Vorgehen der Polizei

Anti-Atom-Organisationen kritisierten das Vorgehen der Polizei als unangemessene Machtdemonstration. Bei den angeblichen Molotowcocktails habe es sich um Bengalische Feuer gehandelt, berichtete die Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg.

Proteste gegen Castor-Transport

Polizeikräfte setzen am Freitag bei Protesten gegen den Castor-Transport einen Wasserwerfer gegen Demonstranten ein.

(Foto: dapd)

Auch Grüne und Linke riefen die Sicherheitskräfte zur Zurückhaltung auf. Die Polizei habe das Recht der Bevölkerung zur Demonstration nicht nur zu dulden, sondern müsse es eigentlich fördern, sagte der Fraktionschef der Linken im Bundestag, Gregor Gysi, der taz: "Doch statt zu deeskalieren, eskaliert sie die Situation - angetrieben von den politisch Zuständigen." Die Grünen-Fraktionsvorsitzende im EU-Parlament, Rebecca Harms, sagte der taz: "Es hat im Wendland über viele Jahre die Strategie der Deeskalation gegeben. Das jetzt aufzukündigen, dafür sehe ich keine Begründung."

Der Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, rechtfertigte das Durchgreifen der Polizei. "Die Bundespolizei ist konsequent eingeschritten. Sie hat klar gemacht: Rechtsbruch wird nicht geduldet! Die Härte der Maßnahmen ist in jeder Hinsicht gerechtfertigt", sagte Wendt bild.de.

Am Samstagnachmittag werden laut Polizei 10.000 bis 15.000 Demonstranten zur Großkundgebung am Verladebahnhof in Dannenberg erwartet. In der Anlage werden die elf Container auf Speziallastwagen verladen. Von dort legen sie auf Straßen die letzten 20 Kilometer ins Zwischenlager zurück.

Neben Demonstranten könnte auch stürmisches Wetter das Verladen der Castor-Behälter verzögern. Sowohl der Deutsche Wetterdienst (DWD) in Offenbach als auch das Hamburger Institut für Wetter- und Klimakommunikation bestätigten, dass für Samstag und Sonntag im Wendland Winde der Stärken acht und neun zu erwarten sind. Damit wäre es nach Angaben des Betreibers vom Atommüll-Zwischenlager in Gorleben unmöglich, die elf Behälter umzuheben. Ein Sprecher der Betreibergesellschaft GNS sagte dapd: "Ab Stärke sieben ist das Umladen der Behälter einzustellen." Wenn es zu stürmisch sei, gebe es nur ein Rezept: Warten, bis sich der Wind legt.

Der Castor-Transport hatte am Freitagmorgen die französisch-deutsche Grenze bei Saarbrücken passiert und passiert nach dem Saarland, Rheinland-Pfalz, Bayern und Hessen nun auch das Bundesland Niedersachsen. Der laufende Transport ist der letzte mit hochradioaktiven Abfällen aus der Wiederaufarbeitung deutscher Brennelemente in Frankreich Richtung Gorleben.

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