Protest gegen Obamas Drohnen-Politik:Marathon-Redner Paul blockiert neuen CIA-Chef

13 Stunden ohne Pause: Im US-Kongress protestiert der Konservative Rand Paul gegen die Ernennung des designierten CIA-Chefs Brennan. Paul will Obama zur Zusage zwingen, Amerikaner in den USA niemals per Drohnen zu töten. Der Auftritt lässt die Debatte um die Bürgerrechte erneut aufflammen.

Von Matthias Kolb,Washington

Rand Paul Senate Filibuster Brennan

Rand Paul versucht den Filibuster-Rekord zu brechen, um gegen die Drohnenpolitik von Barack Obama zu demonstrieren.

(Foto: AP/dpa)

Er weiß, dass er am Ende verlieren wird. Die Nominierung von John Brennan zum CIA-Chef wird Senator Rand Paul an diesem Mittwoch nicht verhindern, doch er sorgt mit seiner 13 Stunden langen Dauerrede für enormes Aufsehen. Der Republikaner möchte Präsident Obama dazu zwingen, auszuschließen, dass Amerikaner auf US-Boden durch Drohnen getöten werden dürfen. Unterstützung erhält Paul bei seiner prestigeträchtigen Aktion von mehreren Kollegen, die sogar Tweets vorlesen.

Paul, der den Bundesstaat Kentucky vertritt, tritt um 11:47 Uhr Ortszeit ans Mikrofon und beginnt, gegen die Nominierung von John Brennan zum CIA-Chef zu protestieren und vor allem die Geheimniskrämerei der Obama-Regierung über ihr Drohnen-Programm zu kritisieren.

Der 57-jährige Brennan, der bisher Top-Berater Obamas im Anti-Terror-Kampf war, gilt als Architekt der Drohnen-Einsätze gegen Terror-Verdächtige in Afghanistan, Pakistan, Somalia und im Jemen. Er war zuvor vom Geheimdienst-Ausschuss bestätigt worden.

Das macht Paul wütend. Deshalb redet er lange. Sehr lange. Nur selten nutzt ein Senator das Blockademittel der Dauerrede, den Filibuster, um über eine ihm wichtige Angelegenheit zu sprechen. Aber das Thema, das Rand Paul so sehr beschäftigt, ist eines der wichtigsten des Landes: Wie wird die Obama-Regierung die Öffentlichkeit über den Einsatz von bewaffneten Drohnen informieren?

Paul findet Unterstützer: Nach acht Stunden kommt ihm der Texaner Ted Cruz zu Hilfe, ein ultrakonservative Senats-Aufsteiger. Weil es die Regeln verbieten, dass ein Volksvertreter während seiner Rede zu technischem Gerät greift, wird Ted Cruz zu einem "menschlichen Twitterfeed". Der Republikaner verliest Botschaften von Amerikanern, die unter dem Hashtag #StandwithRand ihre Unterstützung zeigen. Ein Tweet hat es Cruz so sehr angetan, dass er ihn zwei Mal verliest: Darin fordern die Moderatoren der Radio-Show "The Young Turks" die Leser auf, im Weißen Haus anzurufen und Obama die Meinung zu sagen:

Bei Twitter und in anderen sozialen Medien jubeln auch Demokraten und Menschenrechtler dem Tea-Party-Liebling Rand Paul für seine ungewöhnliche Aktion und seine Ausdauer zu (Politico hat die besten Kurznachrichten zum #filiblizzard gesammelt).

Paul stört sich vor allem daran, dass Justizminister Eric Holder vor einigen Tagen nicht kategorisch ausgeschlossen hat, dass Drohnen auch auf amerikanischem Boden gegen US-Bürger eingesetzt werden könnten. Derartige Einsätze seien zwar "extrem unwahrscheinlich", doch in einem Fall wie bei den Terroranschlägen am 11. September 2001 sei ein solches Szenario möglich (Details zu Holders Aussage)

Der 50-jährige Rand Paul, Sohn des libertären Einzelkämpfers Ron Paul, ist entsetzt darüber, dass die Regierung offenbar bereit ist, US-Bürgern das Recht auf Anklage und einen fairen Prozess zu verweigern und diese sogar zu töten - "in einem Café in San Francisco, in einem Restaurant in Houston oder in ihrem Haus in Bowling Green, Kentucky". Dies dürfe nicht toleriert werden, sagt er zu Beginn seiner Rede.

Shakespeare und "Der Pate"

Paul geht in seinem Vortrag auf den Klassiker "Alice im Wunderland" von Lewis Carroll ein, in dem die Königin sich das Recht vorbehält, ihre Untertanen zu verurteilen. Er verweist auf die Weimarer Republik und das Chaos, das durch die wirtschaftliche Schwäche und die Inflation entstand und den Aufstieg des Diktators Adolf Hitler ermöglicht habe: "Ich sage nicht, dass jemand in unserem Land Hitler ist. Niemand ist so böse, aber in einer Demokratie könnte ein böser Mensch gewählt werden, weshalb das Gesetz gelten muss und jeder durch das Parlament überwacht werden muss." (Video hier)

Mehrere republikanische Senatoren kommen Paul nach etwa drei Stunden zu Hilfe und geben ihm die Möglichkeit durchzuatmen, indem sie Fragen stellen beziehungsweise minutenlang ihre Meinung zum Thema wiedergeben. Ted Cruz erinnert daran, dass Rand Paul in Texas aufwuchs und die Texaner vor genau 177 Jahren Alamo erobert hätten. Danach zitiert er nicht nur Shakespeare, sondern auch aus dem Hollywood-Klassiker "Patton".

Den Rekord kann er nicht brechen

Auch zwei Demokraten gehen an diesem denkwürdigen Tag ans Mikrofon: Ron Wyden, Senator aus Oregon, und Dick Durbin aus Illinois, die Nummer zwei der Partei im Senat. Wyden dankt Paul dafür, dass dieser dem Thema Drohnen so viel Aufmerksamkeit widme. Zwar kündigt er an, dass er für Obamas Wunschkandidaten John Brennan votieren werde, doch er wiederholt die Klagen vieler Abgeordneter, die sich miserabel vom Weißen Haus informiert fühlen.

Den ewigen Rekord des Filibuster konnte Paul am Ende nicht brechen: 1957 redete Strom Thurmond aus South Carolina 24 Stunden und 18 Minuten lang, weil er verhindern wollte, dass Afroamerikaner mehr Bürgerrechte bekommen. Thurmond scheiterte - und auch der Senator aus Kentucky weiß, dass er am Ende nicht gewinnen wird, da mehr als 60 der 100 Senatoren zügig über die Personalie Brennan abstimmen wollen.

Doch am Ende hat Rand Paul zwei Dinge erreicht: Er hat das Thema Drohnen erneut in den Mittelpunkt der öffentlichen Debatte gerückt und die eigene Bekanntheit enorm gesteigert. Der studierte Augenarzt überlegt ernsthaft, 2016 als Präsidentschaftskandidat der Republikaner anzutreten und würde damit seinem Vater Ron folgen. Der langjährige Abgeordnete aus Texas, der bekannteste Vertreter libertärer Ideen in den USA, verfügt vor allem bei jungen Amerikanern über eine große Anhängerschaft.

Rand Pauls Programm erinnert an seinen kauzigen Vater und ist doch etwas pragmatischer. So will er sich etwa für die Legalisierung von Marihuana, eine weniger aggressive US-Außenpolitik, eine Einwanderungsreform sowie die Verlagerung von mehr Kompetenzen auf die Bundesstaaten einsetzen. Paul, der seit 2011 im Senat sitzt, wird von der Tea Party unterstützt und antwortete im Februar für die Bewegung auf Obamas "Rede zur Lage der Nation".

Nicht nur die Washington Post hält Paul für einen "Politiker, der nicht leicht zu lesen ist". Sprich: Seine Taktik folgt nicht den üblichen Washingtoner Ritualen, was ihn im parteiinternen Streit zu einer Gefahr für die auf Kontrolle bedachten Strategen machen könnte. Eines lässt dieser Redemarathon, der nach 12 Stunden und 52 Minuten endete, aber vermuten: Es wird nicht die letzte Überraschungsaktion des Senators aus Kentucky gewesen sein.

Linktipp: Das Transkript der Dauer-Rede von Rand Paul ist auf seiner Senats-Website nachzulesen.

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