Protest gegen Missstände:Julia Timoschenko bricht Behandlung ab

Lesezeit: 2 min

Veröffentlichung des Therapieplans, kontinuierliche Videoüberwachung, medizinische Schwierigkeiten: Aus Protest bricht die ukrainische Oppositionspolitikerin Julia Timoschenko ihre medizinische Behandlung ab. Der deutsche Neurologe Lutz Harms sieht ihre Heilung gefährdet.

Aus Protest gegen die Veröffentlichung ihres Therapieplans durch die Behörden hat die ukrainische Oppositionsführerin Julia Timoschenko ihre Behandlung unterbrochen. Die Behörden hatten unter anderem die Besuchszeiten der Ärzte bei der 51-Jährigen öffentlich gemacht. Sie wolle sich nun mit ihrer Tochter Jewgenija und ihrem Anwalt beraten und dann später endgültig über eine Fortsetzung ihres erst in der vergangenen Woche begonnenen Krankenhausaufenthalts entscheiden.

Der Neurologe Lutz Harms von der Berliner Charité kritisiert die medizinischen Umstände im Gefängniskrankenhaus.  (Foto: dapd)

Unterdessen kündigte Timoschenkos behandelnder Arzt, der deutsche Neurologe Lutz Harms, seine Rückkehr nach Berlin an. Dies sei "von Anfang an" so geplant gewesen, sagte er. Kein Mediziner der Charité könne für mehrere Wochen abwesend sein. Deshalb sei geplant, ihn durch eine deutsche Kollegin zu ersetzen.

Harms beklagte zugleich die dauerhafte Überwachung Timoschenkos. Er hält es für erforderlich, zu prüfen, ob die Behandlung in dieser Form fortgesetzt werden sollte. "Die Patientin hat einen Hungerstreik hinter sich, außerdem bestehen erhebliche medizinische Schwierigkeiten. Derzeit wird sie im Gefängnis laufend überwacht, zudem erschwert das gemischte Ärzteteam den Aufbau einer Beziehung, die für eine Heilung Timoschenkos notwendig ist", sagte Harms.

Der Neurologe behandelt die in der Haft schwer erkrankte Politikerin in einem staatlichen Krankenhaus in der Ostukraine. Der Charité-Professor sprach von Bedingungen, die in den meisten europäischen Ländern "unvorstellbar" seien. Damit bezog er sich vor allem auf die Videoüberwachung und die Veröffentlichungen des Ernährungsplans, des Tagesablaufs sowie des Therapieplans.

Timoschenko werdeselbst beim Duschen und Zu-Bett-Gehen von Kameras überwacht. Außerdem haben sich die ukrainischen Behörden nicht an Abmachungen gehalten, sondern detaillierte Behandlungspläne des Professors an die Medien weitergeleitet. "Das und weitere negative äußere Bedingungen verursachen bei ihr Stress, der zu keiner Heilung führt," so Harms.

Timoschenkos Anwalt, Sergej Wlasenko, bestätigte die Verärgerung von Professor Harms: "Er ist solche Zustände, die er in der Ukraine vorfindet, nicht gewöhnt. Die ukrainischen Behörden müssen sich die Frage nach ihrer Professionalität stellen lassen. Er ist ein angesehener Spezialist, der die Spiele der ukrainischen Behörden als das was sie sind durchschaut: billiger Budenzauber."

Timoschenkos Tochter Jewgenija kündigte an, nicht auf die Entscheidung des Obersten Gerichts der Ukraine warten zu wollen, sondern so schnell wie möglich vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu ziehen. Das Gericht in Kiew hatte am Dienstag die die Prüfung des Urteils gegen die frühere Ministerpräsidentin wegen der Erkrankung der Beschuldigten auf den 26. Juni verschoben. Dann soll geprüft werden, ob die siebenjährige Haftstrafe, die gegen Julia Timoschenko am 11. Oktober 2011 wegen eines Gasvertrages mit Russland verhängt worden war, rechtens ist.

© Süddeutsche.de/dpa/dapd/AFP/mike - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: