Protest der Femen-Aktivistinnen:Die Gefahr, lächerlich zu werden

-

Wenig Gegenliebe erfährt diese Femen-Aktivistin bei einer Protestaktion vor einer Moschee in Paris

(Foto: AFP)

Sie nennen sich "Sextremisten" und möchten dieses Jahr so richtig durchstarten: Die Aktivistinnen von Femen wollen noch mehr Aktionen und noch mehr blanke Brüste. Aber mit ihrem undifferenzierten Protest stoßen sie viele Frauen auch vor den Kopf.

Ein Kommentar von Claudia Henzler

Wem die vielen Oben-ohne-Proteste im vergangenen Jahr auf die Nerven gegangen sind, der sei gewarnt: 2014 soll das richtig große Femen-Jahr werden. "Sie fanden uns 2013 schon provokant, warten Sie erst mal auf 2014", schreiben die Gründerinnen in Englisch auf der Facebookseite von Femen international und kündigen an: "Der Femen-Terrorismus beginnt bald . . ." Dieser Hang zum Großsprech ist eines der Markenzeichen der Organisation. Sie bezeichnen ihre Aktionen als Terrorismus, sich selbst als "Sextremisten".

Femen will expandieren

Femen will eine globale Bewegung werden, in alle Länder dieser Welt expandieren, mittlerweile gibt es in zehn Ländern Ableger. Junge Frauen in Deutschland haben sich ebenso zum Protest mit nackten Brüsten anstiften lassen wie Frauen in Mexiko. Als "Soldatinnen", als moderne Amazonen wollen sie auf gesellschaftliche Missstände hinweisen. Kernthema ist die sexuelle Ausbeutung der Frau, doch mittlerweile geht es Femen um jede Art von Ungerechtigkeit. Ziel ist es, die breite Masse zu erreichen. Aber taugt diese Protestform wirklich dazu, universell Veränderungen zu bewirken?

Femen wurde durch provokante Aktionen in der Ukraine zu einer Marke. Vor der Fußball-EM 2012 im eigenen Land (und in Polen) warnten die jungen Aktivistinnen mit dem aussagekräftigen Spruch "Die Ukraine ist kein Bordell" auf nackten Brüsten davor, dass mit den Fans die Freier ins Land kommen würden. Zwar hat der Nacktprotest eine lange Tradition - etwa im Tierschutz -, doch diese Form war neu: Die Brust wurde nicht verschämt verdeckt, sondern offensiv ausgestellt. Auch die Ästhetik war wichtig. Es handelte sich um schöne Frauen, die ihren Oberkörper mit einer prägnanten Botschaft zur Plakatfläche umfunktionierten. Sie präsentierten sich aggressiv, rissen ihre Arme nach oben, standen breitbeinig da, um nicht umgeworfen zu werden. Lächelten nicht, sondern schrien ihre Slogans heraus. Protestform und Inhalt passten gut zusammen.

Ihr wollt Brüste? Da habt ihr welche!

Manche Feministen lobten, dass sie den Voyeurismus zwar bedienten, aber den Männern gleichzeitig kämpferisch entgegenschleuderten: Ihr wollt Brüste? Da habt ihr welche! Andere waren der Meinung, dass entblößte Brüste keine geniale Dekonstruktion des patriarchalen Frauenbildes sind, sondern genau dieses zementieren. Jedenfalls funktionierte es, Sextourismus und Zwangsprostitution wurden ein Thema. Die Herkunft der Aktivistinnen aus einem autoritär regierten Land - inzwischen leiten sie Femen von Paris aus - ließ die Aktionen besonders mutig wirken und steigerte ihre Glaubwürdigkeit. Davon können sie zehren. Die Frage ist, wie lange noch.

Denn inzwischen häuft sich die Kritik an den Frauen, die immer neue Möglichkeiten finden, um zu provozieren. Sie zeigen auf ihrer Homepage das Hakenkreuz, wenn es um die Sexindustrie geht. Femen differenziert nicht, die Botschaften sind radikal (weg mit Prostitution, weg mit Religion, weg mit dem Schönheitsideal in der Unterhaltungsindustrie). Damit stoßen sie viele Frauen vor den Kopf. Und in Deutschland, wo zurzeit weniger Diktatoren zur Verfügung stehen, gegen die man protestieren könnte, läuft die Organisation Gefahr, lächerlich zu werden.

Gefühlt wird andauernd nackt demonstriert

Gefühlt wurde hier im vergangenen Jahr andauernd gegen irgendwas nackt demonstriert. Allein die Aktivistin, die beim Weihnachtsgottesdienst auf den Altar des Kölner Doms sprang, stürmte außerdem in Hannover auf Russlands Präsident Putin zu, demonstrierte in Tunis gegen die Festnahme einer tunesischen Femen-Aktivistin (und saß danach vier Wochen im Gefängnis), störte eine Rede des Hamburger Bürgermeisters Olaf Scholz über Flüchtlingspolitik und unterbrach eine Sendung von Markus Lanz, um gegen die Fußball-WM in Katar zu protestieren. Deutsche Femen-Frauen protestierten außerdem gegen das neue Barbie-Haus in Berlin. Nicht immer gelang es ihnen dabei auch, ihre Botschaft rüberzubringen. Vieles wirkte beliebig, manchmal läppisch. Und dann zeigten sich die Aktivistinnen auch noch peinlich schlecht informiert, als sie für ihren Protest gegen Unterdrückung von Frauen im Islam ausgerechnet die Moschee einer verfolgten Minderheit in Berlin wählten.

Man kann diesen jungen Frauen glauben, dass sie eine Botschaft haben, dass es ihnen nicht nur um Selbstdarstellung geht, sondern darum, gesellschaftliche Ungerechtigkeiten zu beseitigen. Doch je radikaler die Protestform, desto sorgfältiger muss sie eingesetzt werden. Wenn die Femen-Frauen ihre Aktionen in 2014 nicht wirkungsvoller dosieren, verkommt der Protest zur bloßen Geste. Mit der Folge, dass sie am Ende keiner mehr ernst nimmt.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: