Prostitution:Im Dunkelfeld

Gut gemeint, aber Ziel verfehlt - das zwischen Union und SPD mühsam ausgehandelte Prostituiertenschutzgesetz stößt bei Verbänden auf Ablehnung.

Von Constanze von Bullion , Berlin

Gut gemeint, aber Ziel verfehlt - das zwischen Union und SPD mühsam ausgehandelte Prostituiertenschutzgesetz stößt bei Verbänden auf Ablehnung. "Der Entwurf hat gravierende Mängel und verletzt in seinem Kernelement - der Anmeldepflicht - wichtige Grundrechte", sagte Maria Wersig vom Deutschen Juristinnenbund am Montag in Berlin. Dort nahmen bei einer gemeinsamen Pressekonferenz verschiedene Verbände zur geplanten Gesetzesänderung Stellung. Die Kritik war einhellig und reichte von Warnungen vor einer Stigmatisierung von Prostituierten über hohe Kosten für Kommunen bis zum Vorwurf der Verfassungswidrigkeit.

Mehr als ein Jahr lang haben Union und SPD über das Prostituiertenschutzgesetz verhandelt, beide Seiten beklagten außerordentlich zähe Gespräche. Ein Wunder war das nicht, schließlich geht es um einen Beruf, den es nach Vorstellung vieler Unions-Politiker eigentlich gar nicht geben sollte, während die SPD sich seit Jahren bemüht, ihn aus dem Dunkelfeld moralischer Stigmatisierung und Illegalität zu holen. Einig war man sich nur, dass Prostituierte besser vor Gewalt und sexueller Ausbeutung geschützt werden sollen.

Der Gesetzesentwurf sieht verpflichtende Gesundheitsberatungen für Prostituierte vor. Damit verbindet sich die Hoffnung, besser helfen zu können und Einblicke in ausbeuterische Arbeitsverhältnisse zu gewinnen. Wer einschlägig vorbestraft ist, darf kein Bordell betreiben. Für Freier gilt Kondompflicht. Zuletzt setzte die Union durch, dass als Prostituierte alle gelten, die Sex für Geld anbieten, auch wenn sie das nicht regelmäßig tun. Sie müssen ihr Gewerbe bei einer Behörde anmelden, und zwar an jedem Ort, an dem sie arbeiten. Bei einer Kontrolle kann ein Pseudonym vorgelegt werden, der Klarname mit Foto wird beim Amt hinterlegt.

Vor allem der letzte Punkt, die Anmeldepflicht für Prostituierte, für die sich auch Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) stark gemacht hatte, stößt auf Ablehnung - ausgerechnet bei Verbänden und Beraterinnen, die sonst oft auf Schwesigs Seite standen. Das Ziel des Gesetzes, Prostituierte vor unzumutbaren Arbeitsbedingungen zu schützen, sei zwar zu begrüßen. Durch die Anmeldepflicht aber erreiche man eher das Gegenteil.

"Die Anmeldepflicht ist eine subjektive Berufswahlbeschränkung", sagte Maria Wersig vom Juristinnenbund. Sie verbessere nicht die Ausübung des Berufs, sondern versuche, den Zugang zu erschweren. Dies aber widerspreche der vom Grundgesetz garantierten Berufsfreiheit. Die Anmeldepflicht sei unverhältnismäßig und schwer zu überprüfen. "Sie hält im Ergebnis verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht stand", so Wersig. Problematisch sei überdies, dass das geplante Gesetz auch "Bagatellfälle" erfasse, also Menschen, die sich nicht als Prostituierte verstünden. Zudem drohten erhebliche Mehrkosten für die Länder, da Sexarbeiterinnen sich nach dem Entwurf an jedem Ort anmelden müssen, an dem sie arbeiten, also auch bei einer Großveranstaltung, zu der sie im Wohnmobil fahren.

Die Frauen könnten mit ihren Papieren von den Zuhältern erpresst werden

Die Kontrollversuche seien aus Gründen des Datenschutzes inakzeptabel, sagte Maria Loheide von der Diakonie Deutschland. Sozialarbeiter, die Prostituierte beraten, unterlägen strikter Schweigepflicht. Die Diakonie sehe diese "nicht gewährleistet", wenn im Rahmen einer gesetzlich verordneten Beratung sensible Informationen weitergegeben würden.

Andrea Hitzke von der Dortmunder Mitternachtsmission, die auch Opfer von Menschenhandel berät, warnte davor, Sexarbeiterinnen zu gefährden. Werde eine Anmeldebescheinigung von Zuhältern einbehalten, könnten Prostituierte damit erpresst werden - gerade solche, die ihre Tätigkeit verheimlichten. Bei anderen, die freiwillig, aber anonym arbeiteten, drohe Rückzug in die Illegalität. Menschenhändler dagegen dürften Sexarbeiterinnen regulär anmelden, um nicht aufzufallen. Das Vorhaben sei kontraproduktiv. "Vulnerable Gruppen werden weiter in die Illegalität gedrängt", sagte Marianne Rademacher von der Deutschen Aids-Hilfe. Prävention sei erfolgreich, wenn sie freiwillig und anonym sei und sich Vertrauen aufbauen könne. Prostituierte würden staatlicher "Kontrollitis" ausgesetzt, so Susanne Kahl-Passoth vom Deutschen Frauenrat, "während die Kunden unbehelligt bleiben".

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