Profil:Zahra Nemati

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Zahra Nemati, iranische Bogenschützin bei den Paralympischen und den Olympischen Spielen.

(Foto: Reuters/Yves Herman)

Iranische Bogenschützin bei den Paralympischen und den Olympischen Spielen.

Von Anna Dreher

Das Ergebnis ist ihr eigentlich egal gewesen. Natürlich hätte sich Zahra Nemati über eine gute Platzierung gefreut. Aber viel wichtiger war ihr die Botschaft an andere Menschen, denen es ähnlich ergangen ist wie ihr. "Mein Ziel ist, ihnen zu zeigen, dass es nicht vorbei ist. Eine Behinderung darf dich nicht zerstören", sagte Nemati. "Sport ist der beste Weg, um die Behinderung zu besiegen." Nemati aus Iran ist paralympische Athletin. Ihre Botschaft aber sagte sie vor einigen Wochen - als Teilnehmerin der Olympischen Spiele.

Seit einem Autounfall vor zwölf Jahren sitzt Nemati, 31, im Rollstuhl. Ihr Rückenmark wurde so stark verletzt, dass sie ihre Beine nicht mehr bewegen kann. Bis zu dem Unfall war sie im Taekwondo-Nationalteam von Iran, hatte den schwarzen Gürtel - viele sahen sie schon bald bei den Olympischen Spielen. 2003 überlebte sie ein Erdbeben, bei dem 26 000 Menschen starben, und ein Jahr später, schwer verletzt, den Unfall. "Als Taekwondo-Athletin nicht meine Beine benutzen zu können hat sich angefühlt wie ein Klavierspieler, der seine Arme verliert."

Von einem Moment auf den anderen hatte sich ihr Leben geändert. Die vermeintlichen Grenzen, die ihr dadurch gesetzt wurden, aber hat sie nie als solche gesehen. Kampfsportlerin würde sie nicht mehr sein können, das wusste sie. Aber sie haderte nicht. Verstehen, akzeptieren, weitermachen - das konnte Nemati schnell. Sie suchte sich eine andere Sportart, 2007 fand sie das Bogenschießen. 2012 nahm sie in London an ihren ersten Paralympischen Spielen teil und gewann Gold - als erste iranische Frau bei Paralympischen oder Olympischen Spielen überhaupt; außerdem Bronze im Team.

Mit ihrer Qualifikation für Rio gelang ihr wieder Außergewöhnliches - sie hat dies nicht nur für die Paralympics, sondern eben auch für die Olympischen Spiele geschafft. Nur wenigen Sportlern ist das bislang gelungen - bei den Bogenschützen zuletzt der Italienerin Paola Fantato 1996 in Atlanta, aus Iran vor Nemati niemandem. Und noch bevor sie im Rollstuhl sitzend gegen ihre stehenden Gegnerinnen angetreten war, noch bevor sie wusste, wie die ungleichen Duelle ausgehen würden, war sie zum olympischen und auch paralympischen Symbol geworden. Kein gewichthebender oder ringender Medaillenkandidat führte Iran bei der Eröffnungsfeier ins Maracanã. Fahnenträgerin war: Zahra Nemati.

Sie will anderen Mut machen, besonders Mädchen und Frauen in ihrer muslimischen Heimat. In Iran finden viele Wettkämpfe unter Ausschluss von Frauen statt, auch selbst Sport zu machen ist für eine Frau nicht selbstverständlich. Dass Nemati bei den Paralympics so erfolgreich war, dass sie als Frau, noch dazu im Rollstuhl, die iranischen Olympioniken anführte, war etwas Besonderes. Nicht nur für sie persönlich. "Nach dem Gewinn meiner Medaillen hat sich in Iran die Sichtweise auf Frauen im Sport geändert", sagt die Bogenschützin. "Es gibt in Iran manche Athletinnen, die wirklich Außergewöhnliches leisten. Ich war einfach nur die erste, die bei Paralympics oder Olympia eine Medaille für mein Land gewonnen hat." In Rio konnte Nemati sich über den Erfolg einer dieser Athletinnen freuen: Kimia Alisadeh wurde in Nematis früherer Sportart Taekwondo Dritte. Auch Präsident Hassan Rohani gratulierte.

Nematis Botschaft ist die vom Weitermachen und An-sich-Glauben, es ist die der Gleichberechtigung von Frauen und Männern, aber eben auch die der von vielen immer so geforderten Inklusion. Manche wollen gar die Zusammenlegung der Wettbewerbe. Dass das in einem Teil der Sportarten möglich sein könnte, auch das wollte Nemati zeigen. Noch ist es ihr nicht ganz gelungen. "Vielleicht konnte ich meine Emotionen und Gefühle nicht so kontrollieren und deshalb nicht meine beste Leistung zeigen", sagte sie. Olympia in Rio war für sie in der ersten Runde beendet. Aber gemessen an allem anderen war das eigentlich egal.

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