Profil:Xavier Broseta

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Xavier Broseta, Personalchef bei Air France, auf der Flucht vor den Mitarbeitern. (Foto: Jacky Naegelen/Reuters)

Personalchef bei Air France, der vor den eigenen Mitarbeitern fliehen muss.

Von Stefan Ulrich

Er galt in Frankreich bislang als "démineur", als einer, der es versteht, soziale Sprengsätze zu entschärfen. Doch nun ist ein solcher Sprengsatz hochgegangen und hat Xavier Broseta schwer zerzaust. Am Montag, als der 48 Jahre alte Air-France-Personalchef gerade mit dem Betriebsrat am Konzernsitz bei Paris über neue Sparpläne verhandelte, sprengten wütende Mitarbeiter die Versammlung. Sie schrien "Ausziehen!" und "Rücktritt!" und attackierten Broseta und einen weiteren Manager. Dann rissen sie dem Personalchef Sakko und Hemd vom Leib. Der passionierte Marathon-Läufer und Radfahrer kletterte, nur noch die Krawatte am nackten Oberkörper, mit Hilfe von Leibwächtern über einen Zaun und konnte sich so in Sicherheit bringen. "In 35 Jahren als Gewerkschafter habe ich noch niemals so etwas gesehen", sagte anschließend ein schockierter Gewerkschaftsboss. "Wir sind praktisch Zeugen einer Lynchjustiz geworden."

Die Bilder des flüchtenden Broseta gehen nun um die Welt und werfen die Frage auf, wie es bestellt sein muss um dieses Frankreich, das sich besonders schwer mit den Zumutungen der Globalisierung tut. Allerdings war das Verhältnis zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern schon früher rau im Land. Davon erzählt etwa der Film "Tout va bien" von Jean-Luc Godard aus dem Jahr 1972, in dem zu sehen ist, wie Arbeiter ihre Firma verwüsten und ihre Chefs terrorisieren. Eine Szene wie am Montag ist aber selbst für französische Verhältnisse außergewöhnlich. "Ich bin schockiert und enttäuscht", sagte Broseta.

Der Vater von fünf Kindern, der als dialogfreudig aber hartnäckig gilt, soll schon als Junge einer Lehrerin angekündigt haben, er werde entweder Radrennfahrer oder Wirtschaftswissenschaftler. Später studierte er an der Elitehochschule Ena, was in Frankreich Garantie für eine große Karriere ist. Prompt erhielt er nach dem Abschluss einen Leitungsposten im Arbeitsministerium, wo er sich darum kümmerte, Unternehmen umzustrukturieren. Danach tat er sich als Verhandlungsführer der Krankenkassen hervor, bevor er 2002 zur Thales Group ging. Auch hier beschäftigte er sich mit Umstrukturierungen, Sparplänen und Personalführung. Dies tat er so erfolgreich, dass ihn Air France 2012 - die Luftfahrtgesellschaft schrieb da schon seit Jahren rote Zahlen - als Personalchef zu sich holte. Seine Aufgabe: sparen, ohne dass es zur sozialen Explosion kommt.

Es sei schwer, Gewerkschaftsführer von Verhandlungen zu überzeugen, an deren Ende die Belegschaft Opfer bringen muss, sagte er einmal über seine Arbeit bei Air France. Es sei jedoch zu schaffen, indem man die Arbeitnehmer offen über die wahre Lage des Unternehmens informiere. Und Broseta schaffte es - zunächst. Der Minenräumer kam voran. Bis zum Montag, als die Stimmung explodierte. "Die Gewalt kann meine Entschlossenheit nicht erschüttern", sagt Broseta zu den Angriffen. "Ich weiß, dass es möglich ist, den sozialen Dialog fortzusetzen."

© SZ vom 07.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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