Profil:Wladimir Medinskij

BRICS/SCO Summits - Russia 2015; wladi

Wladimir Medinskij, russischer Kulturminister und Beschützer nationaler Mythen.

(Foto: Handout; getty)

Der russische Kulturminister gibt sich als Verteidiger nationaler Mythen.

Von Tim Neshitov

Der russische Kulturminister Wladimir Medinskij gehört jener politischen Elite an, die unter Wladimir Putin wenig zu sagen hat und deswegen das, was sie zu sagen hat, umso drastischer vorträgt. Es ist nicht auszuschließen, dass Medinskij mit einem einzigen Satz in die Geschichte eingehen wird. Er sagte im Dezember, es habe keinen Sinn, Filme zu finanzieren, die "nach dem Prinzip Raschka-Gownjaschka" gedreht würden. Raschka bedeutet in diesem Fall Russland, eine Abwandlung des englischen Russia, das andere Wort ist eine Verniedlichungsform von "Scheiße" und kommt aus dem Kindervokabular. Der Minister meinte damit kritische Filme Witalij Manskijs, eines der besten russischen Dokumentaristen, der sich seit dem Anschluss der Krim mit den Kollegen in der Ukraine solidarisiert.

Minister Medinskij, geboren 1970 in der Zentralukraine, würde vermutlich gerne als Chefideologe eines Großrussland in die Geschichte eingehen. Er verfasst Geschichtsbücher, die sich gut verkaufen, obwohl der Autor mit historischen Fakten hadert. "Fakten an sich bedeuten nicht viel", schreibt er in seinem Buch "Der Krieg: Mythen der UdSSR". "Ich sage es noch härter: Im Geschäft der historischen Mythologie bedeuten sie gar nichts. Alles beginnt nicht mit Fakten, sondern mit Interpretationen. Wenn Sie Ihre Heimat lieben, Ihr Volk, dann wird die Geschichte, die Sie schreiben, immer positiv sein."

Vor seiner politischen Laufbahn hatte Medinskij Journalismus studiert und eine PR-Firma geleitet. Diese beriet unter anderem das Schneeballsystem MMM, das Millionen Russen um ihre Ersparnisse brachte. Er promovierte in Politikwissenschaften und habilitierte sich mit einer von Plagiatjägern zerpflückten Dissertation in Geschichte. Seine jüngste Amtshandlung im Geschäft der Mythologie: öffentlicher Tadel am Leiter des Staatsarchivs, dem Historiker Sergej Mironenko. Mironenko solle das tun, wofür er sein Gehalt beziehe, sagte der Minister. "Er ist kein Schriftsteller, kein Journalist, kein Kämpfer gegen geschichtliche Falsifizierungen."

Mironenko rüttelt nämlich an einem heiligen Mythos: an den Panfilowzy. So werden 28 Rotarmisten unter dem Befehl von Generalmajor Iwan Panfilow genannt, die im November 1941 in nur vier Stunden 18 deutsche Panzer nahe Moskau zerstörten - so stand es damals in der Armeezeitung Roter Stern. Die Schützen starben alle den Heldentod, einer rief noch: "Groß ist Russland, aber zurückziehen können wir uns nicht mehr, hinter uns ist Moskau!" So steht's bis heute in Schulbüchern.

Nun hat das Staatsarchiv einen Ermittlungsbericht der Militärstaatsanwaltschaft von 1948 veröffentlicht. Darin heißt es, der Heldentod sei "eine Erfindung des Korrespondenten" des Roten Stern gewesen. Minister Medinskij findet diesen historischen Fakt unangebracht. Zumal im Herbst ein Film über die Panfilowzy rauskommt, den unter anderem das Kulturministerium finanziert hat.

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