Profil:Uwe Seeler

Das gute Gesicht eines traurigen Vereins. Der Hamburger Sportverein ist abgestiegen.

Von Peter Burghardt

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(Foto: Markus Scholz/dpa)

Wenn es dem Hamburger SV mal wieder schlecht geht, dann rückt zum Trost Uwe Seeler ins Bild. Sein rundes, gutmütiges Gesicht steht ja für die glorreiche und die sympathische Vergangenheit dieses Vereins. Und weil es dem HSV schon seit Jahren schlecht geht, sind die Sorgen von Uwe Seeler ein Klassiker in der Hansestadt. Das ewige Idol liefert seinen Gram über seinen Herzensklub und seine Hoffnung auf Besserung so zuverlässig und schnörkellos, wie er früher seine Tore schoss. Nun muss er Abstieg und Randale ertragen und kommentieren, beides geschah vor seinen Augen.

Am Samstagnachmittag nach dem letzten Saisonspiel gegen Borussia Mönchengladbach stand das Idol in Hemd und Jackett im Bauch des Volksparkstadions. Der HSV muss als Tabellenvorletzter zum ersten Mal in seiner Geschichte die Fußball-Bundesliga verlassen, nach 55 Jahren hat es den Dino der obersten Spielklasse erwischt. "Ich hab' nicht gedacht, dass ich in meiner Zeit auf der Erde noch mal absteigen würde mit dem HSV", sprach der frühere Mannschaftskapitän und Torjäger in seinem wunderbar unaufgeregten hanseatischen Singsang.

81 Jahre alt ist Uwe Seeler, mit ihm stieg der HSV vor einem halben Jahrhundert in die europäische Spitze auf. Die Institution mit der Raute als Symbol wurde deutscher Meister und Pokalsieger und zog ins Europacupfinale ein. Als 1963 die Bundesliga gegründet wurde, war der HSV dabei, der FC Bayern kam erst später dazu. Seeler wurde mit 30 Treffern der erste Torschützenkönig, insgesamt traf er in 476 Einsätzen 404 mal für den HSV und in 72 Länderspielen 43 mal für die Nationalelf. 1966 führte er die DFB-Auswahl ins legendäre WM-Endspiel von Wembley und 1970 ins epische Halbfinale gegen Italien, letzteres gemeinsam mit seinem Zimmerkollegen Gerd Müller. Die Szene, wie er nach der Niederlage gegen England gebeugt vom Feld ging, hängt Schwarzweiß in seinem Büro seiner Stiftung in Norderstedt.

Sein rechter Fuß steht als Monument aus Bronze am Volksparkstadion.

"Uns Uwe" hat anders als der HSV keine Allüren und Skandale. "Ich bin stinknormal, das ist doch das Schönste auf der Welt, alles andere passt nicht zu mir", sagt er, wenn man ihn besucht. Ein Millionenangebot von Inter Mailand schlug Seeler 1961 aus und machte nebenbei als Vertreter einer Sportartikelfirma weiter. Seeler, seit 59 Jahren verheiratet, ist das Gegenmodell zum HSV, wo sich Glanz, Größenwahn und Chaos abwechselten.

Seeler erlebte erst, wie seine Nachfolger weitere Trophäen eroberten, darunter 1983 den Europapokal. Da waren Helden wie Kevin Keegan, Felix Magath, Horst Hrubesch. Auch Franz Beckenbauer machte beim HSV Station, Seeler und der zuletzt etwas entzauberte Kaiser sind eng befreundet. 1995 bis 1998 war Seeler eher erfolgloser HSV-Präsident, die Ehrenpräsidentschaft lehnte er ab. Der Hamburger Ehrenbürger Seeler sah zu, wie die Gehälter immer höher und die Tore immer weniger wurden, wie ein planloser Trainer oder Funktionär dem nächsten folgte. Der Absturz wurde mehrfach im letzten Moment verhindert. "Aber irgendwann", sagt er, "ist das Glück aufgebraucht."

Ein paar Heimspiele dieser besonders verkorksten Spielzeit versäumte der Stammgast Seeler nach Autounfall und Operationen, zuletzt saß er wieder in der Loge eines Unternehmers. Er erfreute sich am Aufbäumen des Teams unter dem neuen Trainer Christian Titz. Doch der Endspurt kam zu spät, und dann randalierten auch noch die Hooligans.

Fassungslos betrachtete Uwe Seeler die Melange aus Feuer und Rauch. "Das sind Chaoten, das hat mit Fußball nichts zu tun", klagt er, Polizisten besetzten den Platz. Seine Sitznachbarn hätten nach Abpfiff Tränen vergossen, "ich bin auch ein bisschen traurig." Hamburg ohne erste Liga sei ja kaum vorstellbar. Schaut er auch in Liga zwei zu? "Selbstverständlich", Seeler lacht. "Ich gehe morgen gleich ins Trainingslager."

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