Profil:Thomas Hildebrandt

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(Foto: IZW Berlin)

Tierarzt, dem durch seine Hartnäckigkeit eine Sensation gelungen ist.

Von Kathrin Zinkant

Am Morgen danach steht Thomas Hildebrandt schon wieder in Amsterdam am Flughafen, auf dem Weg zum nächsten Patienten. Es ist halb acht in der Früh, die Pressekonferenz keine 24 Stunden her, aber der Veterinär hat keine Zeit, den Erfolg sacken zu lassen.

Als erster Tierarzt der Geschichte hat Hildebrandt gezeigt, dass die künstliche Befruchtung auch beim Nashorn möglich ist. Damit hat er nun die Chance, eine fast ausgestorbene Tierart, das Nördliche Breitmaulnashorn, zu retten. Und so zielstrebig, wie er ist, wird das wohl auch gelingen. Dabei ging es dem Tiermediziner vom Berliner Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung nie darum, die große Karriere zu machen. Sanft und freundlich sieht er aus, warm und weich ist seine Stimme. Und Humor hat er. Den allerdings braucht ein Mann mit seiner Geschichte auch.

Hildebrandt ist in Ost-Berlin groß geworden, er wusste schon als Sechsjähriger, dass er Tierarzt werden wollte. Doch wie das so war in der DDR: Mit dem Zeugnisvermerk "vertritt nicht den Standpunkt der Arbeiterklasse" bekam er keinen Studienplatz. Der Einser-Abiturient wurde Melker. Immerhin in Bernau, wo die besten Milchkühe des ostdeutschen Sozialismus standen. Mit dem Melken begnügen aber konnte er sich nicht. Mitte der 1980er-Jahre ging er als Hilfsarbeiter in die Veterinärpathologie der Humboldt-Universität. "Da hab ich dann tote Tiere aufgeschnitten". Eigentlich ein Studentenjob, doch nun tauchte Hildebrandt ins Innenleben von Pferden, Katzen und Hunden ein. Dabei hat er viel gelernt und begonnen, Dinge zu verbessern. Die Seziermesser zum Beispiel. Mit einem Freund entwickelte er eines, welches das Sezieren erleichterte. Nebenbei bewarb er sich weiter für einen Studienplatz. Jahr für Jahr.

Beim fünften Mal war Hildebrandt genug Leuten aufgefallen, in kürzester Zeit stieg er zum Vorzeigestudenten auf, mit Ehrungen und allem drum und dran. Rückblickend ist der Nashornexperte froh, dass er nicht noch seine Promotion vor der Wende abgeschlossen hat. Ein Titel aus der DDR hätte ihn womöglich in Schwierigkeiten bringen können. Und nicht nur ihn. Sondern auch die Elefanten und Nashörner, die auf ihren Kinderwunscharzt hätten verzichten müssen.

Seinem ersten Elefanten begegnete Hildebrandt noch in der DDR, als zwei Zirkustiere krank wurden und im Eiltempo zur damaligen Koryphäe der Elefantenmedizin, Armin Kuntze, nach Berlin gekarrt wurden. Die Geschichte ist wie vieles, was Hildebrandt erzählt, aberwitzig, platzende Reifen und Volkspolizei inbegriffen. Aber als er zusah, wie Kuntze ein so gewaltiges Tier rettete, war die Sache klar. Graue Riesen mussten es sein.

Sehr schnell klar wurde auch, dass es vor allem darum gehen würde, Nachwuchs zu zeugen. Alle noch lebenden Arten von Elefanten und Nashörnern gelten als stark gefährdet und die im Schutz der Tierparks lebenden Tiere haben große Probleme mit der Fortpflanzung. Hildebrandt versucht deshalb seit 20 Jahren nachzuhelfen, ohne Furcht vor Innovationen. Er war es, der Ende der 1980er-Jahre den Ultraschall als Untersuchungsmethode für Elefanten etablierte. Ihm gelang es erstmals, eine Elefantenkuh künstlich zu besamen. 50 Elefantenbabys auf der ganzen Welt verdanken ihm inzwischen ihr Leben. Und schließlich hat er geschafft, was lange Zeit unmöglich zu sein schien: Er hat gezeigt, dass die künstliche Befruchtung beim Rhinozeros möglich ist. Nur seinetwegen hat das Nördliche Breitmaulnashorn vielleicht noch eine Chance.

Dass man "seinetwegen" sagt, findet Hildebrandt allerdings sehr unpassend. Seit Jahrzehnten arbeitet er mit Robert Hermes und Frank Göritz vom Leibniz-Institut zusammen, international hat er sich ein hochrangiges Netzwerk von Spezialisten aus Tier- und Biomedizin aufgebaut. "An diesem Erfolg haben alle ihren Anteil", sagt er. Dann muss er schnell weiter, Tiere retten.

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