Profil:Stacey Cunningham

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(Foto: Richard Drew/AP)

Die erste Chefin der New York Stock Exchange versteht auch etwas vom Kochen.

Von Andrea Rexer

An ihrem ersten Arbeitstag befand sich die Damentoilette noch in einer umgebauten Telefonzelle, während die Herren einen palastartigen Rückzugsraum zur Verfügung hatten. Keine Frage: Das Börsenparkett der New York Stock Exchange ist in seiner 226-jährigen Geschichte nur höchst selten von hohen Absätzen betreten worden. Stacey Cunningham hat sich davon schon im Jahr 1994 nicht abschrecken lassen. Damals war sie noch Praktikantin. "Von dem Moment, als ich zum ersten Mal den Handelssaal betreten habe, hatte die NYSE einen besonderen Platz in meinem Herzen", twitterte Cunningham diese Woche. Und weiter: "Ich bin demütig und geehrt, diese Organisation leiten zu dürfen."

Stacey Cunningham trat an Freitag ihren Job als Chefin einer der größten Börsen der Welt an, der New York Stock Exchange. Sie ist die erste Frau an der Spitze des Unternehmens.

Und auch noch eine, die kochen kann. Das tut hier freilich nur deswegen etwas zur Sache, weil nach Ansicht von Cunningham die Großküche und das Börsenparkett recht ähnliche Gefilde sind: In beiden Umgebungen müsse man vieles gleichzeitig machen und mit Fehlschlägen umgehen können. Und man lerne hier wie da, nicht alles persönlich zu nehmen, verriet sie den Journalisten der Financial Times. "Im Handelssaal kann es in hitzigen Situationen schon mal vorkommen, dass man aggressiv um ein Geschäft streitet. Aber am Abend geht man wieder gemeinsam auf ein Bier", sagte sie im Interview.

Cunningham weiß in beiden Fällen, wovon sie spricht. Denn obwohl sie bei der NYSE kontinuierlich aufgestiegen ist, schmiss sie 2005 ihren Job hin, um für zwei Jahre eine Ausbildung am "Institute of Culinary Education", einer Kochakademie, zu machen. Sie hatte damals die Geduld mit der Börse verloren, die sich ihrer Ansicht nach zu langsam digitalisierte.

Aber lange hielt sie es in der Küche dann doch nicht aus. 2007 fing sie an, für den großen Konkurrenten der NYSE zu arbeiten, die Nasdaq. 2012 kehrte sie zur NYSE zurück und brachte neues Wissen und Erfahrungen mit. Binnen drei Jahren stieg sie zur Organisationschefin auf. "Eine Karriere ist nie linear", erklärt sie ihre Laufbahn. "Ich hab viel in der Zeit außerhalb gelernt. Fähigkeiten lassen sich transportieren." Sie hat sich vorgenommen, der Börse zu neuem Glanz zu verhelfen, indem sie wieder mehr internationale Börsengänge anziehen will.

Mit dem Dienstbeginn von Cunningham werden gleich zwei der größten Börsen der Welt von Frauen geführt. Seit Januar 2017 steht an der Nasdaq Adena Friedman an der Spitze. Beide Personalien sind keine Selbstverständlichkeit, da die Handelssäle bis heute von Männern dominiert werden. Immerhin sind Frauen in Spitzenpositionen von Unternehmen in den USA weitaus üblicher als in Deutschland: Der Frauenanteil in den Vorständen der großen Unternehmen ist in den USA mehr als doppelt so hoch wie in Deutschland.

Cunningham ist sich bewusst, dass ihr andere Frauen den Weg geebnet haben. Wie zum Beispiel Muriel Siebert, die 1967 die erste Frau auf dem Handelsparkett der NYSE war. "Jedes Mal, wenn eine Frau die Grenzen verschiebt, definiert sie die Grenzen für alle Frauen, die nach ihr kommen, neu", sagte sie in einem Interview mit Blick auf Siebert. Jetzt ist die 43-Jährige selbst diejenige, die Grenzen neu definiert.

Fast wirkt es so, als wäre Cunningham die Antwort der Börsenwelt auf das "Fearless Girl". So heißt jene Statue eines kleinen Mädchens, das seit einem Jahr dem Bullen auf der Wall Street trotzig entgegenblickt, die Hände in die Hüften gestemmt. Die Statue ist weltweit zum Symbol für den Aufstieg von Frauen in der Wirtschaftswelt geworden. Millionenfach fotografierten sich Touristen an der Seite des Kindes. Bald bekommt die Statue einen neuen Standort: direkt vor den Toren der NYSE.

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