Profil:Sozialdemokrat außer Dienst: Die letzte Rede des Peer Steinbrück

Trauerfeier für Henning Voscherau

Peer Steinbrück sprach am Donnerstag zum wohl letzten Mal im Bundestag.

(Foto: dpa)

Vielen SPD-Mitgliedern wird er nicht fehlen - sie ihm allerdings auch nicht.

Kommentar von Kurt Kister

Eigentlich ist Peer Steinbrück mit schuld daran, dass Angela Merkel einerseits Bundeskanzlerin wurde und sie es andererseits heute noch ist. Im Mai 2005 nämlich verlor der damalige Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen mit seiner SPD, die sich in Teilen durchaus nicht als "seine" Partei verstand, krachend die Landtagswahl gegen die CDU unter einem gewissen Jürgen Rüttgers.

Die Union übernahm das vermeintliche SPD-Stammland NRW, und das wiederum bot Gerhard Schröder, damals Bundeskanzler, Anlass und Gelegenheit, im Bundestag ein Misstrauensvotum gegen sich selbst zu inszenieren. Er wollte es verlieren, was ihm auch gelang. Es gab vorgezogene Neuwahlen, die Schröder knapp verlor. Angela Merkel wurde Kanzlerin der ersten großen Koalition, Peer Steinbrück ihr Finanzminister.

Er hat die Fähigkeit, die Dinge bisweilen witzig zu erklären

Die Zeit ging dahin, Merkel regierte, und die SPD litt an sich und ihren Spitzenleuten. Steinbrück machte als Minister eine gute Figur, manche sagen, eine sehr gute Figur. In der Banken- und Finanzkrise von 2008 gab er gemeinsam mit Merkel die berühmte Garantie für den deutschen Sparer ab. Dies und seine Fähigkeit, Dinge bisweilen witzig zu erklären, förderten seine Beliebtheit in der Öffentlichkeit, allerdings weniger in seiner Partei. Das aber war Steinbrück gewohnt. Der studierte Volkswirt und gediente Panzergrenadier war stets ein Helmut-Schmidt-Sozialdemokrat und noch dazu einer, der meistens von sich annahm, er sei der Klügere, was manchmal ja auch stimmte. Ein Liebling eher linker Unterbezirksvorsitzender war Steinbrück jedenfalls nie.

Nachdem Frank-Walter Steinmeier als Spitzenkandidat 2009 die SPD bedächtig, aber nachhaltig in die Niederlage geführt hatte - Merkel blieb Kanzlerin, Westerwelle wurde Vizekanzler - begab es sich, dass Steinbrück 2012 die Kanzlerkandidatur zustieß. Gabriel wollte noch nicht, Steinmeier nicht mehr, und so blieb vom damaligen Führungstrio nur noch Steinbrück übrig.

Bevor er damit anfing, lief die Kandidatur gut. Nachdem er allerdings 2013 als Spitzenkandidat ernsthaft begonnen hatte, standen ihm drei Phänomene sehr im Weg: die Umstände, die SPD sowie er selbst. Weil dann auch noch Merkel als viertes gegnerisches Phänomen dazukam, machte auch Steinbrück den Steinmeier. Er verlor gegen Merkel, zwar nicht bedächtig, aber auch nachhaltig. Sie blieb Kanzlerin, Gabriel wurde Vizekanzler. Mal sehen, ob er als Spitzenkandidat die Traditionslinie Steinmeier und Steinbrück fortsetzt.

An diesem Donnerstag hat Peer Steinbrück seine letzte Rede im Bundestag gehalten. Er gibt sein Mandat auf, weil er zu Recht denkt, es sei Zeit dafür. Steinbrück hält sich selbst für einen vernünftigen Sozialdemokraten, andere halten ihn für einen Neoliberalen. Der heute 69-jährige Vollblutschachspieler und Neigungspolitiker, der Schmidt-Vertraute und Großironiker wird mutmaßlich vielen Organisierten in seiner Partei nicht sehr fehlen. Sie ihm allerdings auch nicht.

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