Profil:Sophie Rois

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(Foto: imago/Mauersberger)

Unabhängige Schauspielerin und neue Trägerin des Eysoldt- Rings.

Von Peter Laudenbach

Eine der eindrücklichsten Szenen in Frank Castorfs "Faust"-Inszenierung an der Berliner Volksbühne war von leiser Innigkeit. Sophie Rois spielte in dieser Aufführung furios die Herrscherin der Hexenküche. Aber kurz vor der Pause sang sie nicht als Hexe, sondern als Sophie Rois sehr verloren und mit rauer Stimme Schuberts Lied vom Leiermann, also so etwa das Traurigste, was das romantische Liedgut zu bieten hat. Kurz darauf wird die Sängerin von einem herrischen Greis, dem Faust-Darsteller Martin Wuttke in der Maske des alten Goethe, mit vorgehaltenem Degen von der Bühne vertrieben. Weil es Castorfs letzte große Inszenierung an der Volksbühne war, hatte die Szene etwas von einem Schlussakkord der langen Castorf-Intendanz.

Sophie Rois war eine der prägenden Schauspielerinnen dieser wilden, maßstabsetzenden Jahrzehnte am Rosa-Luxemburg-Platz. Dafür und für ihr Spiel in Castorfs "Faust" wird die 56-Jährige jetzt mit dem Gertrud-Eysoldt-Ring, dem bedeutendsten deutschen Theaterpreis, geehrt. Rois ist in der hinreißenden Verbindung von gedankenschneller Berliner Schnoddrigkeit und sehr lässigem österreichischen Schmäh eine schillernde Diva - zumindest wenn man unter Diventum nicht die arrogante Pose (die hat sie nicht nötig), sondern das Spiel nach eigenen Regeln versteht. Auf der Bühne kann sie jederzeit mit großem Genuss vom spöttischen Flirt zum extraherben Hohn wechseln; gemütlich wird es bei ihr nicht. Die in jedem ihrer Auftritte, sei es im "Tatort" oder als Buhlschaft im Salzburger "Jedermann", sehr selbstbestimmte Künstlerin ist das Gegenteil einer schauspielerischen Servicekraft. Deshalb kamen ihr die radikaleren Regisseure gerade recht. Als Christoph Schlingensief noch sehr umstritten war, war er schon einer ihrer Lieblingsregisseure. Für René Pollesch gehört sie zu den Menschen, von denen er am meisten über das Theater gelernt hat. Spielt sie bei ihm mit, versteht er sich in Umkehrung der üblichen Rollenverteilung als "Dienstleister für Sophie Rois" - schließlich sind sie und die anderen Schauspieler Mit-Autoren seiner Inszenierungen. Kein Wunder, dass Rois-Statements in Interviews oft klingen wie aus Pollesch-Stücken, etwa, wenn sie auf die Frage, wofür sie ihr Geld ausgebe, elegant feministisch antwortet: "Ich habe einen jüngeren Freund, das kostet natürlich."

Die Jury-Vorsitzende, die Regisseurin Barbara Frey, versteht die Verleihung des Eysoldt-Rings an Sophie Rois ausdrücklich als "Würdigung für ihr langjähriges Bekenntnis zum Ensembletheater an der Berliner Volksbühne" - ein deutlicher Kommentar in der Debatte zur Zukunft dieses Theaters. Sophie Rois ist, weil als langjähriges Ensemblemitglied unkündbar, nominell noch Angestellte der Volksbühne. Aber weil sie nicht unter Castorfs Nachfolger Chris Dercon spielen will, hat sie sich für dessen erste Saison beurlauben lassen. Auch das ist ein unmissverständliches Statement der in jeder Hinsicht unabhängigen Künstlerin.

© SZ vom 06.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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