Profil:Sérgio Moro

Brasilianischer Korruptions-Jäger, jetzt mit seiner größten Beute.

Von Boris Herrmann

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(Foto: Patricia de Melo Moreira/AFP)

Noch vor dreieinhalb Jahren kannte kaum ein Brasilianer den Mann, der ihr Land verändert hat. Ob zum Guten oder zum Schlechten - entlang dieser Frage spaltet sich die Nation. Für die einen ist Sérgio Moro der Messias, für die anderen ein Fiesling. Dasselbe gilt übrigens für den ehemaligen Staatspräsidenten Luiz Inácio Lula da Silva, den der Bundesrichter Moro gerade zu neuneinhalb Jahren Haft verurteilt hat. Wegen Korruption und Geldwäsche. Das Urteil ist der vorläufige Höhepunkt einer langen Auseinandersetzung zweier umstrittener Helden: Moro gegen Lula. In brasilianischen Medien haben sie das wie den Boxkampf des Jahres inszeniert.

Jetzt werden die Wunden gewischt und es ist keine Überraschung, dass sich auch dabei ein Riss in der Gesellschaft offenbart. Die Moro-Fans jubeln über eine gerechte Strafe für einen Verbrecher. Die Lula-Ultras wettern über einen politischen Prozess. Fest steht: Dieser Richterspruch wird das größte Land Südamerikas noch lange beschäftigen.

Sérgio Fernando Moro, 44, ist eine öffentliche Figur, über deren Privatleben wenig bekannt ist. Der Nachfahre italienischer Einwanderer ist mit einer Rechtsanwältin verheiratet und hat zwei Kinder. Er stammt aus der südbrasilianischen Universitätsstadt Maringá. Mit seinen stets dunklen Anzügen, seiner schmalen Krawatte und seinem Zockerblick könnte er auch als brasilianischer James Bond durchgehen. Sein Aufstieg zum Superstar begann, als er 2015 am Bundesgericht in Curitiba die Leitung der Operacão Lava Jato (Autowäsche) übernahm, der inzwischen größten Anti-Korruptionsoffensive in der Geschichte Brasiliens. Moro hat sich damit an die Spitze einer jungen Generation von Juristen gesetzt, die etwas bis dahin Undenkbares in dem Land veranstalteten: Sie ermittelten ernsthaft gegen die reichsten Unternehmer und mächtigsten Politiker, Moro verurteilte sie reihenweise zu hohen Haftstrafen. Er brachte damit nicht nur ein eingespieltes Klüngelsystem ins Wanken, sondern den gesamten Staatsapparat. Auch weil er den Verurteilten immer wieder Gnade gegen Kronzeugenaussagen anbot und damit die Ermittlungswelle am Laufen hielt. Jetzt ist er dort angelangt, wo er nach Meinung seiner Kritiker immer hinwollte. Beim Hauptpreis: Ex-Präsident Lula.

Der Streit um dieses Urteil dreht sich nicht nur um die Frage, wie stichhaltig die Beweise sind, sondern um Moros Arbeitsweise. Einmal ließ er Lula zu Hause von 200 Polizisten zu einem Verhör abholen. Das Fernsehen war informiert. Kurz darauf steckte er der Presse ein abgehörtes Privatgespräch zwischen Lula und dessen Nachfolgerin Dilma Rousseff. Das war peinlich für die beiden, aber bestärkte alle, die Moro schon immer eine Hexenjagd unterstellt hatten. Der Richter fühlte sich in seiner Urteilsbegründung bemüßigt, darauf hinzuweisen, dass ihm die Bestrafung Lulas keine persönliche Befriedigung gebe. Das glaubt ihm höchstens die Hälfte der Brasilianer.

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