Profil:Sawsan Chebli

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Berliner SPD-Politikerin, die mit unorthodoxen Aussagen provoziert.

Von Verena Mayer

Zur Berliner SPD-Politikerin Sawsan Chebli fallen den meisten schnell zwei Dinge ein. Zum einen, dass sie Muslimin ist und einmal in einem Interview sagte, Teile der Scharia behandelten lediglich das Verhältnis zwischen Gott und Mensch und stellten sie daher "als Demokratin vor kein Problem". Zum anderen war Chebli eine der ersten Politikerinnen, die sich in der Sexismus-Debatte öffentlich zu Wort meldeten. Als ein Ex-Botschafter sie bei einer Veranstaltung nicht erkannte und sagte, er habe ja keine so junge und schöne Frau erwartet, postete Chebli einen wütenden Beitrag auf Facebook. Sie sei in Sachen Sexismus einiges gewöhnt, heißt es darin, aber so etwas habe auch sie noch nicht erlebt.

Beide Aktionen zogen lange Debatten nach sich und sorgten dafür, dass die Kommunalpolitikerin inzwischen auch über die Hauptstadt hinaus bekannt ist. Kaum jemand in der Berliner Politik hat es, vom früheren Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit mal abgesehen, geschafft, so viel Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen wie die Staatssekretärin für bürgerschaftliches Engagement und Internationales. Und kaum jemand polarisiert in ähnlichem Ausmaß wie die 39-Jährige. Eine Frau, die nicht nur eine ehrgeizige Politikerin, sondern auch praktizierende Muslimin und Feministin ist, eignet sich für viele Gruppen als Feindbild.

Gerade hat Chebli wieder ein Thema gesetzt. Nachdem es in den vergangenen Tagen antisemitisch motivierte Demonstrationen gegen Trumps Entscheidung gegeben hatte, Jerusalem als Hauptstadt Israels anzuerkennen, rief Chebli die Muslime dazu auf, sich gegen Judenfeindlichkeit einzusetzen. So wie es Muslime als Minderheit in Deutschland erwarten würden, dass andere sich für sie einsetzen, wenn sie diskriminiert werden, "müssen sie ihre Stimme viel lauter erheben, wenn Juden in unserem Land bedroht werden", sagte Chebli der Zeitung Die Welt. Vor Kurzem hatte sie zudem im Berliner Senat einen Arbeitskreis gegen Antisemitismus eingesetzt.

Einmal mehr dürfte ihr dafür der Hass von Extremisten sicher sein. Was auch an ihrer Familiengeschichte liegt. Chebli wuchs als Kind palästinensischer Flüchtlinge in West-Berlin auf, elf ihrer zwölf Geschwister sind in einem Lager in Libanon geboren, sie selbst war bis zu ihrem 15. Lebensjahr staatenlos. Ihr Vater war Analphabet, Chebli lernte früh, sich über Leistung zu definieren. Sie machte Abitur, studierte Politikwissenschaft und engagierte sich in der SPD. 2014 holte Frank-Walter Steinmeier sie als stellvertretende Sprecherin ins Auswärtige Amt, als erste Muslimin in einer solchen Position.

Ihre untypische Biografie ist für Chebli seither Fluch und Segen. Einerseits gilt sie als Musterbeispiel von Integration und verkörpert wie kaum jemand das sozialdemokratische Ideal, alle miteinzuschließen. Auf der anderen Seite wird bei jeder Äußerung Cheblis genau dieser Lebenslauf hervorgezogen, egal wofür oder wogegen sie als Politikerin eintritt.

© SZ vom 14.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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