Profil:Rahm Emanuel

Chicago police officer Jason Van Dyke charged with murder; Rahm Emanuel

Bürgermeister von Chicago mit einem großen Polizeiproblem.

(Foto: Tannen Maury/dpa)

Bürgermeister von Chicago mit einem großen Polizeiproblem.

Von Nicolas Richter

Rahm Emanuel ist ein ungeduldiger, reizbarer Mensch; stets vermittelt er das Gefühl, er könnte jeden Augenblick die Fassung verlieren. Zu seinem Führungsstil gehört es, zu drohen und zu schimpfen, seine Wutausbrüche sind gefürchtet. Einmal ärgerte er sich so sehr über linke Parteifreunde, dass er sie "scheiß behindert" nannte. Als die Öffentlichkeit davon erfuhr, entschuldigte sich Emanuel - es dürfte verbale Rückfälle aber nicht verhindert haben.

Es ist nicht überliefert, ob Emanuel, der Bürgermeister von Chicago, mit einem Wutausbruch auf ein neues Polizeivideo reagiert hat: Es zeigt, wie ein Streifenbeamter einen schwarzen Jugendlichen erschießt, der niemanden bedroht. Der Polizist ist wegen Mordes angeklagt worden - es ist der jüngste Beweis dafür, dass man als Mensch mit dunkler Hautfarbe in Amerika mitunter zu Recht um sein Leben fürchtet, wenn man der Polizei begegnet.

Emanuel, 55, hat die Tat verurteilt, verteidigt aber seinen Polizeichef Garry McCarthy. "Dieser Zwischenfall ist eine Tragödie und absolut inakzeptabel", ließ der Bürgermeister erklären, "aber er steht nicht für die Werte von Polizeichef McCarthy oder der fleißigen Männer und Frauen des Chicago Police Department."

Emanuel ist als Kind einer jüdischen Familie in Chicago aufgewachsen, aber die Stadt war für seinen Ehrgeiz rasch zu klein: In den Neunzigerjahren beriet er US-Präsident Bill Clinton im Weißen Haus, verdiente Millionen im Investmentbanking und ließ sich später als Abgeordneter in den Kongress wählen. Als Barack Obama 2008 die Präsidentschaftswahl gewonnen hatte, beförderte er Emanuel zum Stabschef und faktisch zum zweitmächtigsten Mann im Land. Es sorgte für Erstaunen, dass Emanuel nach knapp zwei Jahren aufgab, um sich für das Amt des Bürgermeisters in seiner Heimatstadt zu bewerben.

Obamas größte innenpolitische Erfolge liegen in der Zeit, als Emanuel die Geschäfte führte, etwa das Konjunkturpaket und die Gesundheitsreform. Das lag zum einen an der "Energie und dem Enthusiasmus" des ungestümen Stabschefs, wie Obama bei dessen Abschied bemerkte - vor allem aber wohl daran, dass Obamas Demokraten bis Ende 2010 die Mehrheit im Kongress stellten. Vermutlich lag es am Ende an Emanuels Führungsstil und an Konflikten mit anderen Vertrauten Obamas, dass der Stabschef das Weiße Haus verließ.

In Chicago hoffte man, der Macher aus Washington werde die chronischen Leiden der Stadt lindern, vor allem Armut und Gewalt. Doch diese Aufgabe ist wohl sogar für einen Mann wie ihn zu groß. Die Gewalt unter schwarzen Gangs ist noch immer massiv, und Emanuels erste Amtszeit war geprägt von Kontroversen um die Schließung Dutzender Schulen. Gleichwohl ist der Bürgermeister im Frühjahr wiedergewählt worden. Wenn der jüngste Fall von Polizeigewalt einen Hoffnungsschimmer für seine Stadt offenbart, dann diesen: Immerhin ist es bisher nicht zu schweren Unruhen gekommen.

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