Profil:Oliver Zille

Der Leipziger Buchmesse-Chef hat mit der Präsenz rechter Verlage zu tun.

Von Antonie Rietzschel

Leipziger Buchmesse 2018
(Foto: Monika Skolimowska/dpa)

Oliver Zilles Lieblingssatz in diesen Tagen lautet: "Wir müssen das aushalten." Wie ein Mantra wiederholt er dies, wenn er erklären soll, warum er rechten und rechtsextremen Verlagen die Teilhabe an der Buchmesse nicht verbietet. Der 57-Jährige ist Chef der Leipziger Messe. Wenn er sich in den vergangenen Jahren öffentlich äußerte, dann zu neuen Besucherrekorden und steigenden Ausstellerzahlen. Doch das reicht nicht mehr, die politische Stimmung im Land schlägt sich im Literaturbetrieb nieder. Auf der Frankfurter Buchmesse wurde aus der verbalen Auseinandersetzung zwischen Linken und Rechten sogar eine körperliche. Nun schauen alle nach Leipzig und darauf, wie Zille hier mit den neuen Konflikten umgehen wird.

Er selbst sähe sich lieber in der Rolle des stillen, verlässlichen Gestalters. 1988 wurde der gelernte Kaufmann Referent der Geschäftsführung der Leipziger Messe. Die Buchmesse galt damals unter literaturbegeisterten DDR-Bürgern als Großereignis. Denn hier gab es Bücher, die ansonsten verboten waren. Sie gewährten einen Blick in die Welt jenseits der Mauer.

Als die fiel, blieb Zille in der Stadt. Ab 1991 kümmerte er sich um die Neuausrichtung der Messe. Wiedervereinigung, Wendeschmerz, später Flüchtlinge, Pegida - all das war Thema auf der Veranstaltung; dass sie unpolitisch sei, kann man ihr nicht vorwerfen. "Groß war in den vergangenen Jahren das Interesse, sich mit einem breiten politischen Spektrum auszutauschen", sagt Zille rückblickend. Doch nun gebe es einen Wandel. Die Stimmen an den Rändern würden immer lauter.

Kürzlich provozierte der Dresdner Schriftsteller Uwe Tellkamp. Bei einer Podiumsdiskussion im Vorfeld der Messe wiederholte er Positionen von Pegida und AfD und löste Empörung aus. Zille mag Tellkamp, vielmehr: sein Werk. Er trenne Kunst und Person, sagt Zille. Und: "Uwe Tellkamp hat das Recht, seine Meinung zu äußern."

Mit dem Gebot der Meinungsfreiheit verteidigt der Messemacher auch die Teilnahme rechter und rechtsextremer Verlage an der Buchmesse. Neben dem Antaios-Verlag werden die Compact-Magazin GmbH, der NPD-Ableger Deutsche Stimme sowie ein rechtsextremer Verein vertreten sein. Sie bekämen auf der Buchmesse ein Forum geboten, kritisieren linke Gruppen. Die Rechten inszenieren sich derweil als Opfer eines angeblichen linken Mainstreams. Der Verlag Junge Freiheit zog seine Teilnahme wenige Tage vor der Eröffnung der Messe zurück. Die Initiative Verlage gegen rechts jubelte. Die Vertreter des Verlages Junge Freiheit warfen der Messeleitung vor, gemeinsame Sache mit linken Gruppen zu machen.

Und Oliver Zille? Der sagt wieder: "Wir müssen das aushalten." Die Leipziger Messe ist als öffentliche Einrichtung zur Neutralität verpflichtet. Diesen Anspruch nimmt ihr Chef ernst. Deswegen klingen seine Sätze so reingewaschen und distanziert. "Jede Stimme soll gehört werden", sagt er. Und wenn diese Stimme die Abschaffung der Demokratie fordert? "Ich kann da selbst befremdet sein, was alles von der Meinungsfreiheit gedeckt ist. Als Direktor der Messe darf hier meine eigene Meinung keine Rolle spielen." Politische Labels seien ihm als Organisator fremd. Jeder Aussteller habe das Recht, Veranstaltungen zu organisieren, seien es die Mitglieder der Initiative Verlage gegen rechts oder die Junge Freiheit.

Wer mit Zille dieser Tage redet, der kann am Klang seiner Stimme hören, wie sehr ihn das Thema dann doch innerlich aufwühlt. Schon sehr früh hatte er die Hoffnung geäußert, dass die Debatte über rechte Verlage die Messe nicht dominieren soll. Das hat nicht geklappt. Alles was er jetzt tun kann, ist, um Gelassenheit zu werben. Man solle nicht über jedes Stöckchen springen, so Zille. Sein Versprechen an die Messebesucher: "Bei Äußerungen, die volksverhetzend sind oder die Menschenwürde verletzen, schreiten wir ein."

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