Profil:Mohammed VI

Profil: Mohammed VI: Marokkos König, Reformer und Despot mit Vorliebe für schräge Selfies.

Mohammed VI: Marokkos König, Reformer und Despot mit Vorliebe für schräge Selfies.

(Foto: Michal Dolezal/AP)

Marokkos König, Reformer und Despot mit Vorliebe für schräge Selfies.

Von Moritz Baumstieger

Um die Jahrtausendwende keimte an Rändern der arabischen Welt Hoffnung auf: Im äußersten Westen, in Marokko, wurde Kronprinz Mohammed zum König ausgerufen. Der damals 35-Jährige folgte auf seinen Vater Hassan II., der äußerst autoritär regiert hatte. Ein Jahr später ereignete sich ein ähnlicher Machtwechsel im Osten. In der Republik Syrien übernahm dort Baschar al-Assad nach dem Tod seines Vaters Hafiz die Staatsführung. Assad war erst 34 Jahre alt, seine Untertanen sehnten sich wie die Menschen im Maghreb nach mehr Freiheit.

16 beziehungsweise 17 Jahre später versinkt Syrien in Blut und Trümmerstaub. Assad scheint in einer paranoiden Parallelwelt zu leben und lässt sein eigenes Volk bombardieren. In Marokko hingegen wählen die Bürger ein neues Parlament. Das Land hat mit Korruption und Arbeitslosigkeit zu kämpfen, ja, doch Missstände lastet das Volk eher unfähigen Politikern an als dem liebevoll "M 6" genannten König.

Für diese unterschiedlichen Entwicklungen ist das Jahr 2011 ausschlaggebend. Im Zuge des Arabischen Frühlings gingen in beiden Ländern Bürger auf die Straße, verlangten Reformen. Syriens Assad setzte auf Härte, bald forderten die Demonstranten seinen Sturz. Mohammed VI. reagierte anders: Er berief eine Kommission ein, die eine Verfassung erarbeitete, ihr stimmten 98 Prozent der Wähler zu. Seither hat das Parlament ein wenig mehr Macht, Exekutive und Judikative sind strenger getrennt, der König ist verpflichtet, seinen Premierminister aus der stärksten Fraktion im Parlament auszuwählen und nicht nach Gutdünken.

Kritiker bezeichnen die Reformen als Augenwischerei: Kritik werde unterdrückt, Aktivisten würden eingesperrt. Souverän ist der König, nicht das Volk. Die Position des Monarchen stärken zwei weitere Faktoren: Er ist Führer der Muslime des Landes, die 90 Prozent der Einwohner ausmachen. Das Königshaus behauptet, direkt vom Propheten Mohammed abzustammen. In der neuen Verfassung wird der Regent zwar nicht mehr als "heilig" geführt, aber immer noch als "unantastbar".

Außerdem ist er die größte Wirtschaftsmacht im Land: Zu seinem Privatbesitz gehört ein Konsortium, das von Supermärkten über Telefonfirmen bis hin zu (nicht ganz islamkonformen) Weingütern viele Branchen abdeckt. Marokko mag zu den ärmsten Ländern der Welt gehören, sein - von allen Steuern befreiter - König ist einer der reichsten Männer Afrikas.

Verglichen mit der syrischen Katastrophe aber liest sich seine Regentschaft wie eine Erfolgsgeschichte: Nachdem er den Thron bestiegen hatte, setzte Mohammed eine Wahrheitskommission ein, die Verbrechen des Staatsapparates aufarbeitete. Er stärkte die Frauenrechte und erschwerte die Polygamie, die sein Vater noch praktiziert hatte. Dass Mohammed ein Gespür für Gefahren hat, zeigte nicht nur seine Reaktion auf den Arabischen Frühling. Er hat die Bedrohung durch den Klimawandel erkannt und treibt eine ambitionierte Energiewende voran. Und er nutzt seine religiöse Stellung, um gegen den Dschihadismus Front zu machen - an 72 Jungfrauen für Märtyrer im Paradies könne "kein geistig Gesunder" glauben, sagte der 53-Jährige im August.

Neben "M6" hat der Vater von zwei Kindern und promovierte Jurist noch andere Spitznamen. "Ma-jet-ski" etwa, weil er sich gerne ablichten lässt, wenn er mit heulenden Motoren übers Meer braust. Fast wöchentlich stellen stolze Untertanen Selfies mit dem König ins Netz, auf den Bildern lächelt er vom Fahrersitz eines Bentleys oder eines silbernen Mercedes-Cabrios. Mehr Aufsehen als die Autos erregen aber die exzentrischen Outfits: "M 6" trägt in seiner Freizeit Batikhemden und Schiebermützen, Rockerarmbänder und Krokodil-Lederjacken. Natürlich lässt sich vom Kleidungsstil kaum auf den Regierungsstil schließen, doch: Syriens Machthaber Assad im Muskelshirt, Arm in Arm mit Untertanen - schwer vorstellbar.

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