Profil:Micheál Martin

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Micheál Martin, irischer Politiker, der vor einer schwierigen Entscheidung steht.

(Foto: Phillip Massey/Getty)

Irischer Politiker, der nach der Wahl vor einer schwierigen Entscheidung steht.

Von Christian Zaschke

Die Lage ist vertrackt für Micheál Martin: Zwar ist er der große Gewinner der Parlamentswahlen in Irland, aber was nützt ihm das? Es stellt ihn in erster Linie vor die äußerst schwierige Entscheidung, ob er eine historische Koalition eingehen soll. Als Juniorpartner. Denn dass Martin der große Gewinner ist, heißt nicht, dass seine Partei Fianna Fáil die meisten Stimmen bekommen hat, sondern lediglich, dass sie deutlich besser abschnitt als erwartet.

Von 1997 bis 2011 stellte die gemäßigt konservative Fianna Fáil den Premierminister. Bei den Wahlen vor fünf Jahren erlebte die Partei jedoch ein Desaster und verlor 51 ihrer vormals 71 Sitze. Die Wähler machten die liberale Wirtschaftspolitik von Fianna Fáil dafür verantwortlich, dass Irland im Jahr 2008 so hart von der Finanzkrise getroffen worden war. Es war die schwerste Niederlage einer Regierung in der Geschichte der irischen Republik. Micheál Martin, der erst kurz zuvor zum Parteivorsitzenden gewählt worden war, versprach einen kompletten Neuanfang.

Zwar arbeitete er während der 14 Jahre, die Fianna Fáil an der Regierung war, durchgehend als Minister in verschiedenen Ressorts, unter anderem im Wirtschaftsministerium, es gelang ihm jedoch irgendwie, den Eindruck zu vermitteln, dass er selbst mit der Finanzkrise nichts zu tun habe. Tatsächlich verbinden die meisten Iren mit seinem Namen vor allem die Einführung eines strikten Rauchverbots am Arbeitsplatz. Martin war von 2000 bis 2004 Gesundheitsminister und hatte sich zum Ziel gesetzt, das Verbot gegen den Willen der Tabaklobby durchzusetzen. Unter anderem reiste er 2003 nach New York City, um zu sehen, wie der damalige Bürgermeister Michael Bloomberg das Thema anging. Nach seiner Rückkehr beschloss er, das Verbot bis Anfang 2004 durchzusetzen. Im März 2004 trat es in Kraft, und es bedeutete, dass in Irland auch in Restaurants und Pubs ausnahmslos nicht mehr geraucht werden durfte.

Bereits seit 27 Jahren sitzt der 55-jährige Martin für den Wahlkreis Cork South-Central im Parlament. Nach dem Studienabschluss in politischer Geschichte arbeitete er zunächst als Lehrer, entschied sich aber bereits nach einem Jahr, hauptberuflich Politiker zu werden. Seine genaue Kenntnis der historischen Zusammenhänge der irischen Politik dürfte ihm nun dabei helfen zu erkennen, vor welch großer Entscheidung er als Parteichef steht.

Stärkste Kraft ist Fine Gael von Premierminister Enda Kenny geworden. Allein regieren kann er nicht, eine Koalition ergäbe nur mit der wiedererstarkten Fianna Fáil Sinn. Beide Parteien sind einander jedoch spinnefeind, seit sie sich im Bürgerkrieg vor knapp 100 Jahren eine blutige Fehde lieferten. Es droht dem Land daher eine Phase großer politischer Unsicherheit. An Micheál Martin ist es nun zu entscheiden, was schwerer wiegt: der Wunsch nach stabilen Verhältnissen oder die Macht der Geschichte. Letztere spielt in Irland stets eine große Rolle.

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