Der Pfingstsonntag 2015 ist ein spezieller Tag - Melanie Behringer, 29 Jahre alt, hat ihn seit Langem im Kalender stehen. An diesem 24. Mai gibt die Bundestrainerin ihren Kader für die Frauenfußball-Weltmeisterschaft bekannt, und Behringer hat darauf hingearbeitet, mit zu dem Turnier zu reisen, das vom 6. Juni bis 5. Juli in Kanada ausgetragen wird. Davor aber hat sie nun recht kurzfristig noch eine Aufgabe zu erledigen, wegen der sie - endgültige Nominierung hin oder her - am Sonntagvormittag um 11.30 Uhr das deutsche WM-Quartier am Schweizer Zürichsee verlassen wird. Per Helikopter und mitsamt der drei Klub- und Nationalelf-Kolleginnen Leonie Maier, Lena Lotzen und Melanie Leupolz. "Am Abend", verspricht Behringer, "werden wir von München wieder zurück in der Schweiz sein." Mit im Gepäck das Bewusstsein, noch vor der WM etwas ganz Besonderes erlebt zu haben.
Diesen Pfingstsonntag nämlich wird die Mittelfeldspielerin als erste Spielführerin des FC Bayern München überhaupt auf dem Münchner Rathausbalkon die Meisterschale der Frauen präsentieren. Zusammen mit Philipp Lahm, der als Kapitän der Männer die Meisterschale seiner Mannschaft in die Höhe stemmen wird. Noch nie zuvor im deutschen Fußball hat ein Verein in einer Saison sowohl mit seinen Männern wie mit den Frauen die Meisterschaft gewonnen; noch nie zuvor im deutschen Fußball fand eine gemeinsame Titelfeier der Frauen und Männer eines Vereins statt.
"Historisch" sei das, sagte schon vorab Wolfgang Niersbach, Präsident des Deutschen Fußball-Bunds (DFB). "Wir freuen uns riesig darüber", sagt auch Melanie Behringer, "das zeigt die Wertschätzung, die der Verein uns inzwischen entgegen bringt."
Die Verantwortlichen des FC Bayern scheuen jedenfalls keine Mittel, um die erstmals gemeinsame Feier zu ermöglichen. Nachdem vor zwei Wochen mit einem 2:0 am letzten Spieltag über Essen die zweite Meisterschaft der Frauen seit 1976 feststand, gab Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge erst ein öffentliches Versprechen und dann eine interne Order: Die Fußballerinnen sind herzlich eingeladen auf den Rathausbalkon - und die Mitarbeiter im Klub sollten alles daran setzen, das auch den Nationalspielerinnen zu ermöglichen, die wegen der WM dann eigentlich schon bei ihren Auswahlteams in der Pflicht stehen.
Bayern-Managerin Karin Danner hat daher zu einem Mittel gegriffen, das sonst meist von Franz Beckenbauer, dem Ehrenpräsidenten des FC Bayern, bekannt ist: Ein Flugunternehmen mit Sitz in Ottobrunn holt nun Behringer und ihre Mitspielerinnen am Sonntag nach dem Morgentraining nahe dem Schweizer Feusisberg mit dem Helikopter ab - und bringt sie abends wieder zurück. Bundestrainerin Silvia Neid gab ihr Einverständnis, "sie gönnt uns diesen besonderen Moment", sagt Behringer.
Dabei hatte sie schon gedacht, eine Steigerung der besonderen Momente als Fußballerin wäre gar nicht mehr möglich. Nach dem ersten WM-Sieg 2007 war es Behringer, die nach der Landung der Nationalelf am Frankfurter Flughafen die deutsche Fahne aus dem offenen Cockpitfenster schwenkte. Nachdem sie dann 2009 auch Europameisterin wurde, brachte der Bürgermeister von Wieden, ihrem Heimatort im Südschwarzwald, höchstpersönlich am einzigen Fußballplatz im Dorf ein Schild an: "Melanie-Behringer-Stadion" heißt jetzt der nur 100 Meter von ihrem Elternhaus entfernte Platz, auf dem sie mit ihrem Zwillingsbruder und den drei älteren Brüdern das Kicken begann.
Eine Herausforderung wartet am Sonntag allerdings noch: So wie die Männer des FC Bayern in Lederhosen erscheinen, werden auch die Frauen des FC Bayern Tracht tragen - Melanie Behringer wird also nach kurzer Anprobe die Meisterschale in einem Dirndl stemmen. "Ich finde, das steht mir."