Profil:Mateusz Morawiecki

Der neue Premier in Warschau begeistert sich für polnische Heldentaten.

Profil: undefined
(Foto: AFP)

Vor einigen Jahren klagte der Chef einer großen polnischen Bank über mangelnde Wertschätzung für polnische Heldentaten. "In unserer Kultur fehlen Zeugnisse der Erfolge von Polen", bedauerte Mateusz Morawiecki, der damalige Chef der Bank Zachodni WBK. Also finanzierte die Bank den Film "1920. Die Schlacht um Warschau" mit. Er zeigt den überraschenden Sieg Polens über die Rote Armee nach dem Ende des Ersten Weltkriegs. Morawiecki unterstützte auch den Wettbewerb "Patriotismus ist nicht lächerlich" und sagte, später wolle er auch als Politiker "etwas für das Land tun". Nun kann der 49 Jahre alte Morawiecki dies an herausgehobener Stelle versuchen: Kommende Woche wird der bisherige Finanzminister als Ministerpräsident vereidigt.

Der Schlüssel zum Aufstieg Morawieckis ist - wie bei jeder wichtigen Personalentscheidung im heutigen Polen - sein Verhältnis zu Pis-Parteichef Jarosław Kaczyński. Morawiecki beriet als Banker Beata Szydło, die damals Wirtschaftsexpertin der Partei war. Dann wurde er "dem Vorsitzenden" vorgestellt, wie Pis-Angehörige Kaczyński ehrfurchtsvoll nennen. "Der Vorsitzende hat sich auf der Stelle in ihn verliebt", schilderte ein Parteigrande Kaczyńskis Reaktion. Der Grund der Begeisterung: Im Unterschied zu Parteigrößen, die wie Kaczyński ausschließlich politisch geprägt sind, präsentierte Morawiecki eine Blaupause, wie die Wirtschaft entwickelt werden könnte - und wo man das Geld dafür findet.

So machte Kaczyński Morawiecki nach dem Wahlsieg im Herbst 2015 zum Wirtschaftsminister und Vizepremier. Ein paar Monate später wurde er auch noch Finanzminister und galt bald als mächtiger als die nominelle Regierungschefin Szydło - und als möglicher Kronprinz Kaczyńskis. Anders als Kaczyński und andere Pis-Größen spricht Morawiecki fließend Englisch und auch Deutsch und hat internationale Erfahrung.

Der künftige Premier kommt aus Breslau. Sein Vater Kornel war als Mitglied der "Kämpfenden Solidarność" eine Legende des Untergrundkampfes im kommunistischen Polen. Morawiecki junior studierte erst Geschichte, bildete sich später mit Studien und Praktika in der Schweiz und den USA, in Hamburg und bei der Bundesbank in Frankfurt fort, machte einen MBA-Wirtschaftsabschluss, arbeitete in einem Regierungsausschuss zur Vorbereitung des polnischen EU-Beitritts und wurde schließlich Banker. Die erst eigenständige, dann von Iren übernommene und schließlich zur spanischen Santander gehörende Bank WBK machte Morawiecki zur drittgrößten Polens. Frühere Kollegen beschrieben Morawiecki als fähig und fordernd. Er soll aber keinen Widerspruch dulden und weder Kompromisse eingehen noch Fehler zugeben.

Morawiecki möchte Polens von ausländischen, insbesondere von deutschen Investitionen abhängige Wirtschaft durch Innovationen stärken. Zudem will er den Export fördern, etwa mit dem Aufbau einer Industrie von Elektroautos und -bussen. Weit vorangekommen ist Polen freilich bisher nicht: Der Aufschwung der Wirtschaft basiert vor allem auf dem boomenden Konsum der Bürger. Diesen hat die Regierung zum Beispiel mit einem großzügigen, nur kurzfristig finanziell gesicherten Kindergeld angeheizt. Die Investitionen in Polen lagen dagegen im ersten Halbjahr 2017 auf dem niedrigsten Niveau seit 1995. Viele polnische und ausländische Investoren verschreckt etwa die Abschaffung einer unabhängigen Justiz.

Dagegen hat sich Polens künftiger Premier ebenso wenig ausgesprochen wie gegen andere rechtswidrige Gesetze. Morawiecki verehre Polens Gründervater und späteren Diktator Jozef Piłsudski, sagte ein Mitarbeiter Morawieckis der Zeitung Gazeta Wyborcza. "Er sieht sich in seiner Rolle - der des Diktators, der um die Größe Polens besorgt ist." Allerdings wird Morawiecki auch als Regierungschef nicht der mächtigste Mann im Land sein - das bleibt Kaczyński.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: