Profil:Martin McGuinness

Political Leaders Respond To The UK's EU Referendum Result

Nordirischer Politiker, der nun die Chance auf Vereinigung sieht.

(Foto: Charles McQuillan/Getty)

Das frühere IRA-Mitglied will den Traum eines vereinten Irland wiederbeleben.

Von Alexander Menden

Die politische Situation in Nordirland schien sich im Jahr 2007 tatsächlich zum Besseren gewendet zu haben. Das konnte man auch am Spitznamen ablesen, den sich der Erste Minister Ian Paisley und sein Stellvertreter Martin McGuinness durch ihren jovialen Umgang miteinander verdienten: Die Presse nannte sie nach einem Comedy-Duo "The Chuckle Brothers" - die Kicherbrüder. Wann immer sich der radikale Protestantenführer Paisley und das ehemalige IRA-Mitglied McGuinness nach ihrem Amtsantritt gemeinsam zeigten, schienen sie über einen Witz zu kichern. Die langjährigen Feinde traten wie ein Herz und eine Seele auf. Viele Menschen hofften, dass sich die von Terror zwischen Katholiken und Protestanten geprägte nordirische Politik normalisieren würde.

Seit Mai 2007 ist McGuinness stellvertretender Erster Minister, zunächst unter Ian Paisley, dann unter dessen Nachfolgern. Aber durch das britische EU-Referendum werden nun alte Probleme wieder akut: McGuinness hat nie sein Ziel einer Wiedervereinigung mit der Republik Irland aufgegeben. Im Gegensatz zur Ersten Ministerin, Arlene Foster von der Democratic Unionist Party, die für den Austritt aus der EU warb, unterstützten die Republikaner die "Remain"-Kampagne. Schon vor der Abstimmung hatte McGuinness betont, dass bei einem britischen Austritt aus der EU die Karten neu gemischt werden müssten. Die Mehrheit der Nordiren hat sich nun für den Verbleib ausgesprochen. Martin McGuinness reagierte entsprechend: "Englische Wähler haben uns aus Europa herausgezerrt." Das Referendum sei "das Gegenteil des demokratisch geäußerten Willens des irischen Volkes". London habe das Recht verloren, für die nordirische Bevölkerung zu sprechen.

McGuinness folgt damit seiner alten Linie. Er hat immer zum harten Kern der katholisch-republikanischen Bewegung in Nordirland gehört. 1950 kam er in der Bogside zur Welt, jenem katholischen Teil der Stadt Derry, in dem die britische Armee 1970 am "Blutigen Sonntag" 14 katholische Demonstranten erschoss. Damals war McGuinness ein hochrangiges Mitglied der Irisch-Republikanischen Armee. Er saß 1973 wegen Sprengstoffschmuggels in Haft. 1974 verließ er nach eigenen Angaben die IRA und engagierte sich in ihrem politischem Arm (Sinn Féin). Für die Partei zog er 1982 ins nordirische Parlament ein und war für sie der zentrale Politiker im nordirischen Friedensprozess, der 1998 im Karfreitagsabkommen mündete.

Durch die Brexit-Entscheidung sieht McGuinness nun den Weg für ein Referendum über die Wiedervereinigung Nordirlands mit der irischen Republik bereitet. Diese Volksabstimmung könnte in Gang gesetzt werden, wenn Grund zu der Annahme bestünde, dass eine nordirische Bevölkerungsmehrheit sich der Republik anschließen will. Die Folgen einer Wiedervereinigung für den Friedensprozess wären unabsehbar. Martin McGuinness aber wäre am Ziel.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: