Profil:Manfred Götzl

Fortsetzung NSU-Prozess

Herr des NSU-Verfahrens und Meister der Zermürbung.

(Foto: dpa)

Herr des NSU-Verfahrens, der die Technik der Zermürbung meisterhaft beherrscht.

Von Annette Ramelsberger

Im wichtigsten, aber auch zähesten Prozess Deutschlands sind vier Jahre vergangen. In den ersten beiden Jahren bot das NSU-Verfahren einen Blick in den Abgrund der rechten Szene, in das Versagen der Verfassungsschützer und in Elternhäuser der DDR-Intelligenz, die ihre Kinder an Neonazis verloren hat. Zwei Jahre voller Erkenntnisgewinn. Dann wurde es mühsam.

Erst zerstritt sich die Hauptangeklagte Beate Zschäpe mit ihren Verteidigern, dann spielte sie mit dem Gericht monatelang Katz und Maus, ob sie etwas aussagen würde und wie. Und das ganze vierte Jahr dieses Prozesses war bestimmt vom Bemühen des Senats, alles zu tun, damit das Urteil vor dem Bundesgerichtshof standhält und der ganze Prozess nicht von vorne aufgerollt werden muss. Das wäre der GAU.

Diesen GAU muss Manfred Götzl, 63, verhindern, der Vorsitzende Richter. Er ist der Herr des Verfahrens, ein Patriarch. Wenn er redet, spricht kein anderer, auch seine Kollegen nicht, die dürfen höchstens mal aus den Akten vorlesen. Nie wird Götzl so ärgerlich wie dann, wenn ihm ein anderer Jurist ins Wort fällt. Er, der ungerührt über Tage verstockte Neonazis befragen kann, läuft rot an, wenn einem Verteidiger mal ein flapsiger Nebensatz entschlüpft, in dem er leise Kritik am Gericht äußert. Götzl fragt geradezu konsterniert nach: "Meinen Sie damit etwa mich?" Ein Mann von altfränkischem Ehrverständnis.

Götzl ist kein väterlicher Vorsitzender, der die Angehörigen von Getöteten in Wärme hüllt und am Ende des Jahres frohe Festtage wünscht. Er ist auch kein martialischer Richter, der lügende Zeugen andonnert und in die Arrestzelle steckt. Eher ein Technokrat der Justiz, der sich genau ausrechnet, ob ihm eine solche Drohgebärde etwas bringt oder nur Arbeit macht. Götzl setzt auf etwas anderes: Er ist ein Meister der Zermürbung.

Es kam vor, dass sich Zeugen um 19 Uhr beklagten, sie seien um fünf Uhr aufgestanden und könnten jetzt nicht mehr. Götzl rief ihnen zu: "Ich bin auch schon lange wach, ich bin noch frisch." Mit großer Konzentration und geradezu asketischer Disziplin hat er den Mammutprozess mit inzwischen 332 Verhandlungstagen im Griff. Er war nie krank, ein einziges Mal musste er abbrechen, weil er heiser war. Mittlerweile beten selbst engagierte Nebenkläger darum, dass dieser Prozess zu Ende geht. Man kann Prozessbeteiligte zum Beispiel mit dem Wort "Straßenbahn-Endhaltestelle" in Panik versetzen: Götzl hat, allein um zu klären, ob 1996 ein paar Rechtsradikale einen Mann an einer Straßenbahn-Endhaltestelle in Jena verprügelt haben, Dutzende Zeugen befragt, immer wieder, vom Sommer bis kurz vor Weihnachten. Und dabei ging es noch nicht einmal um eine Tat des NSU. Wo Götzl Prioritäten setzt, das erschließt sich oft nur ihm. Stoisch macht er weiter, unermüdlich. Wenn der Prozess 2017 nicht fertig wird, dann eben 2018, Hauptsache, das Urteil hält der Revision stand. Götzl hat Zeit, er geht erst 2020 in Pension.

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