Profil:Madeline Stuart

Lesezeit: 2 min

Ein Model mit Down-Syndrom auf der New York Fashion Week.

Von Sophie Burfeind

Wenn Madeline Stuart lächelt, würde man sie am liebsten in den Arm nehmen. Die junge Frau sieht aus wie ein Kind, rundes Gesicht, zart, lange rote Haare, ein bisschen elfenhaft. Sie ist nur 1,50 Meter groß. Sie ist auch nicht so schlank wie ihre Kolleginnen. Madeline Stuart ist kein typisches Model - und doch läuft sie auf der New Yorker Fashion Week, einer der wichtigsten Modenschauen der Welt, als erstes professionelles Model mit Down-Syndrom.

Als die Australierin mit Down-Syndrom und einem schweren Herzfehler auf die Welt kam, gaben ihr die Ärzte noch acht Jahre zu leben. 17 Jahre später beschloss die junge Frau, Model zu werden, weil sie gerne vor der Kamera posierte und sich für Mode interessierte; das war Anfang 2014. Erst einmal unterzog sich die junge Frau aus Brisbane aber einem harten Fitnessprogramm. Fünfmal die Woche schwimmen, außerdem tanzen, Cheerleading, Cricket und Diät. 18 Monate später war sie 20 Kilogramm leichter und ihre Mutter Rosanne, die auch mal als Model gearbeitet hatte, organisierte ein professionelles Fotoshooting. Ohnehin ist die Mutter die treibende Kraft hinter der Karriere ihrer Tochter: Sie vermarktet sie, bespielt Facebook und Instagram. In Interviews ist es meist sie, die im Namen von Madeline spricht. Rosanne Stuart veröffentlichte im Internet die Bilder, auf denen Madeline in einem orangefarbenen Bikini und einem bunten Rosenkleid zu sehen ist; mit durchschlagendem Erfolg: Schon wenige Monate später hatte die Tochter auf Facebook hunderttausend Fans, mittlerweile sind es mehr als 460 000, plus 75 000 Abonnenten bei Instagram. Jetzt ist Madeline Stuart 18 Jahre alt und Profimodel. Sie steht regelmäßig für diverse Kosmetik- und Modefirmen vor der Kamera, die New Yorker Handtaschenfirma Ever-Maya entwarf für sie kürzlich eine eigene Kollektion. Auf der New Yorker Fashion Week wird sie die Show des italienischen Modelabels "FTL Moda" eröffnen.

"Ich hoffe, durch Modeln die Einstellung der Gesellschaft gegenüber Menschen mit Behinderungen zu verändern", steht auf ihrer Facebookseite. Damit ist die 18-Jährige nicht die Erste. Immer öfter setzen Modemacher auf Trägerinnen, die nicht der Norm entsprechen. Schon im Februar waren auf dem Catwalk in New York Models im Rollstuhl, mit Beinprothesen und Down-Syndrom zu sehen. Natürlich ist das ein Zeichen für mehr Vielfalt auf den Laufstegen; noch vor zehn oder 15 Jahren wäre das undenkbar gewesen. Trotzdem muss man fragen, ob die Modemacher wirklich einen Wandel der Schönheitsideale einläuten wollen, oder ob es nicht vor allem Show ist. Nichts ist werbewirksamer als Provokation. Ein bisschen ist es auch Imagekampagne mit der frohen Botschaft: Seht her, so oberflächlich sind wir doch gar nicht! Wirkliche Vielfalt gäbe es erst, wenn ein Down-Syndrom-Model auf dem Laufsteg keine Sensation mehr wäre - und nicht 80 Prozent der Models weiß und schlank wären.

© SZ vom 07.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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