Profil:Lucia Topolansky

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(Foto: Matilde Campodonico/AP)

Die Ex-Guerillera und Kleinbäuerin ist jetzt neue Vizepräsidentin Uruguays.

Von Boris Herrmann

Lucía Topolansky möchte ein Traktor sein. Das sagte sie im ersten Interview als Vizepräsidentin von Uruguay. Einerseits ist dieser Traktor als Sprachbild zu verstehen: Sie will den Karren aus dem Dreck ziehen. Denn auch das einstige linke Musterländchen ist von jener südamerikanischen Krisenstimmung erfasst worden, gegen die es lange immun zu sein schien. Präsident Tabaré Vázquez, der wie Topolansky dem linken Bündnis Frente Amplio angehört, steckt im Umfragetief. Vielleicht hilft da ja der Traktor, der im Falle Topolanskys eben nicht nur metaphorische Bedeutung hat. Sie, die Kleinbäuerin und Blumenzüchterin, besitzt nämlich einen. Und er ist ein Teil ihres politischen Erfolgsrezeptes: zur Schau gestellte Genügsamkeit.

Topolansky, 72, ist eine kleine Frau mit kurzen Haaren, stets einfach gekleidet. Wenn Journalisten zum Haus- und Hofbesuch da sind, biegt manchmal, rein zufällig, der Traktor um die Ecke. Gesteuert von ihrem Ehemann, dem früheren Staatschef José Mujica. Der hatte den Stil des bescheidenen Bauern derart perfektioniert, dass er zum Popstar der lateinamerikanischen Linken aufstieg. Mit der neuen Vizepräsidentin kehrt dieser Stil zurück, wenn auch leicht variiert. Mujica posierte bei seinen Homestorys gerne mit der dreibeinigen Hündin Manuela. Topolansky ließ sich für ihr Antrittsinterview neben zwei nicht namentlich bekannten Hühnern ablichten.

Ihr Leben war nicht immer so beschaulich und anfangs auch nicht so bescheiden. Die Tochter eines Unternehmers wuchs mit Ballett- und Klavierunterricht auf. Als Architekturstudentin verließ sie mit ihrer Zwillingsschwester die wohlhabende Großfamilie, um sich der Stadtguerilla Tupamaros anzuschließen, gegen die rechte Militärdiktatur. Innerhalb der Bewegung galt sie als eine der besten Schützinnen. Zur Tarnung ließ sie ihre Nase operieren. Sie wurde trotzdem bald verhaftet. Einmal gelang ihr eine spektakuläre Flucht, indem sie durch die Kanalisation robbte, durch Abwasser und Exkremente. Doch wenig später wurde sie erneut eingekerkert und gefoltert. 13 Jahre ihres Lebens verbrachte sie ohne Frischluft und Sonnenschein.

Nach ihrer Befreiung 1985 bezog sie mit ihrem Genossen Mujica eine Finca bei Montevideo. Dort lebt das Paar bis heute, bewusst kinderlos. Sie haben ja ihre Chrysanthemen, die Tiere und die Politik. Mit ehemaligen Tupamaros gründeten sie die Partei MPP, zogen ins Parlament ein und fuhren nicht selten zusammen auf dem Moped zur Arbeit, Topolansky auf dem Gepäckträger.

Eigentlich wollte sie aus der Politik ausscheiden, der neue Job ist ihr zugefallen, weil der bisherige Vizepräsident zurücktrat. Uruguays Verfassung besagt, dass dann jener Senator nachrückt, der bei den Wahlen die meisten Stimmen bekommen hat. Das wäre Mujica. Dem verbietet die Verfassung wiederum, Vizepräsident zu werden, weil er Präsident war. Auf Platz zwei der Liste der Senatoren lag Lucía Topolansky.

© SZ vom 15.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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