Profil:Kim Yo-jong

Die Schwester des Diktators ist Reisebotschafterin ihres Landes bei Olympia.

Von Christoph Neidhart

Kim Yo Jong
(Foto: AP)

Kim Yo-jong, die jüngere Schwester von Diktator Kim Jong-un, wird am Freitag Nordkoreas nominelles Staatsoberhaupt, Kim Yong-nam, zu der Eröffnungsfeier der Olympischen Winterspiele in Pyeongchang begleiten. Das teilte der Norden dem Gastgeber am Mittwoch über die militärische Hotline mit. Pjöngjang ist damit bei Olympia nicht nur politisch sehr prominent vertreten, sondern auch mit der Kim-Familie persönlich.

Die erst 30-jährige Kim bekleidet schon seit zehn Jahren Funktionen an der Spitze der Arbeiterpartei. Ihr Vater Kim Jong-il hatte sie bereits als 15-Jährige Gästen als künftige Politikerin vorgestellt. Zu ihrem Geburtstag ließ er sie in eine Uniform der Volksarmee stecken; so gekleidet durfte sie ihre Geschenke entgegennehmen. In den letzten Jahren seines Lebens gehörte sie zu seinem Stab. Im Dezember 2011, in den Tagen vor seinem Tod, soll sie zusammen mit Kim Jong-un kaum mehr von seinem Krankenbett gewichen sein.

Yo-jong war besser auf eine politische Karriere vorbereitet als ihr Bruder, den der Vater erst zwei Jahre vor seinem Tod zum Erben machte. Es gehörte zu den Aufgaben der Tochter, die Übergabe der Macht an den Bruder zu überwachen. Danach schlüpfte sie in die Rolle seiner Bürochefin. Sie organisiert öffentliche Auftritte und Reiserouten. Wenn sie ihn selbst begleitet, trägt sie die olivenfarbene Jacke nordkoreanischer Journalisten und hält sich im Hintergrund. Die Reise in den Süden könnte den Eindruck erwecken, Kim schicke seine Schwester nicht nur als Vertreterin, sondern auch in einer Spähmission, damit sie die Verhältnisse im Süden persönlich in Augenschein nehmen kann.

Bliebe sie bis zur Abschlussfeier, könnte sie die US-Präsidententochter Ivanka Trump treffen, die sich angemeldet hat. Bei den Asienspielen 2014 war erst zur Schlussfeier eine hochrangige Delegation des Nordens angereist. Jener Delegation gehörte damals auch Choe Ryong-hae vom Präsidium der Arbeiterpartei an. Er ist der Schwiegervater Yo-jongs. Yo-jongs Mann ist in der Finanzabteilung der Partei beschäftigt und soll mit dem ominösen Büro 39 verbunden sein, das für die Beschaffung harter Währung zuständig ist und mithin kriminelle Aktivitäten entfaltet. Bis vor Kurzem war Yo-jong Vize-Direktorin der Propaganda-Abteilung der Partei. Nach Angaben aus Südkorea soll Kim seine Schwester jedoch jüngst zur ersten Vize-Direktorin des mächtigen Organisationsbüros der Partei befördert haben.

Es heißt, sie verfüge über gute Kontakte zur Staatssicherheit. Kim Jong-un und seine Schwester sollen sich sehr nahestehen. Zusammen mit ihrer Mutter und ihrem Bruder Kim Jong-chol lebten sie isoliert im Changkwang-Viertel von Pjöngjang. Im Frühjahr 1996 folgte die damals Neunjährige ihren Brüdern nach Bern, wo sie viereinhalb Jahre lang inkognito eine Grundschule besuchte, die in der Nähe der Schule ihres Bruders lag. Die Mütter von damaligen Mitschülern erinnerten sich später an ein überbehütetes kleines Mädchen, das Kim Yong-sun genannt wurde. Im Haus der Kim-Kinder arbeiteten mehrere Dienstboten. Ihre Mutter, die später an Brustkrebs in Frankreich verstorbene Ko Yong-hui, hat sie in Bern öfter besucht.

Kim Yo-jong ist eng in die olympische Charmeoffensive involviert. Am Dienstag verabschiedete sie in der Hafenstadt Wonsan im Osten der Halbinsel jene Künstlertruppe, die mit einer Fähre nach Süden fuhr. Je größer und prominenter diese Charmeoffensive wird, umso mehr zwingt sie Südkoreas Regierung zum Spagat. US-Vizepräsident Mike Pence, ebenfalls bei der Eröffnung präsent, hat bereits angekündigt, er werde in Pyeongchang gegen Nordkorea protestieren und nicht Olympia feiern. Das empörte die liberale Tageszeitung Hankyoreh. Pence fehle jeglicher Respekt für seine Gastgeber, kommentierte sie. So hat Nordkorea, schon vor Beginn die Spiele Punkte gewonnen.

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