Profil:Kathy Niakan

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Kathy Niakan: Forscherin, die das Erbgut von Embryos verändern will.

Forscherin, die das Erbgut von Embryos mit umstrittenen Methoden verändern will.

Von Kathrin Zinkant

Sieben Monate ist es erst her, da traf sich ein elitärer Kreis amerikanischer Biomediziner zu einem ernsten Gespräch. Die Forscher machten sich Sorgen um eine neue Technik, mit deren Hilfe sich das Erbgut von Lebewesen schnell, billig und fast idiotensicher verändern lässt. Dieses Genome Editing ist zwar extrem hilfreich, es könnte völlig neue Therapien ermöglichen. Die Methode lässt sich aber auch dafür nutzen, den Menschen genetisch zu verändern, seine Evolution zu steuern, Gott zu spielen. Die Forscher forderten ein Moratorium. Weder an menschlichen Keimzellen noch an Embryos solle mit der Methode gearbeitet werde. So lange, bis sich die Gesellschaft auf einen Weg geeinigt habe

Die meisten Wissenschaftler des Feldes haben sich überzeugt gezeigt, dass man sich in westlichen Kulturkreisen an das freiwillige Moratorium halten würde. Doch nur sieben Monate später, in einem Land namens Großbritannien, beweist eine junge Forscherin, wie es um die ethischen Prinzipien dieser Kulturkreise bestellt ist. Kathy Niakan ist Stammzellforscherin mit einem Bachelor in englischer Literatur, sie hat in Harvard bei einem Top-Wissenschaftler des Gebiets geforscht, dem erst 41-jährigen Kevin Eggan. Seit diesem Jahr leitet Niakan eine eigene Arbeitsgruppe am prestigeträchtigen Francis-Crick-Institut in London. Und sie hat bei den britischen Behörden jetzt einen Antrag für das Genome Editing von menschlichen Embryos gestellt.

Als Erste in Europa will sie auf diese Weise die Entwicklung ungeborenen Lebens studieren. Das wird sie wohl auch dürfen, denn rein formal ist die Forschung an überzähligen Embryos in Großbritannien erlaubt. Zudem genießt Niakan den Rückhalt ihrer britischen Kollegen. Die veränderten Embryos würden gebraucht, um etwa die Ergebnisse von künstlichen Befruchtungen zu verbessern. Niakans Vorgesetzter, Robin Lovell-Badge, erklärte gar, es gehe nur um effizientere Methoden, nicht um die Sache selbst. Und Niakan kann sich nicht nur auf die Kollegen im Königreich verlassen. Die internationale Hinxton-Group zur Ethik in der Wissenschaft versammelt mehr als 100 angesehene Fachleute aus aller Welt, auch der deutsche Stammzellforscher Hans Schöler ist Mitglied. Die Gruppe hat sich erst vor zwei Wochen für ein Genome Editing von menschlichen Embryos ausgesprochen. Es sei "essenziell, um die Grundlagen der Biologie und der Keimzellen zu verstehen". Die Mehrheit der Forscher will nicht warten, sondern forschen.

Nur: Geht das einfach so, ohne Vergewisserung, ohne gesellschaftliche Diskussion? Die Befürworter des Moratoriums haben die Frage klar verneint. Doch der Fall Niakan zeigt, wie weit die öffentliche Debatte den Tatsachen hinterherhinkt. Die erste Sitzung des Deutschen Ethikrates, auf der das Genome Editing überhaupt thematisiert wird, findet im Dezember statt. Hier erst kann ein Diskurs beginnen, über den die Wissenschaft nicht allein zu entscheiden hat.

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