Profil:Karsten Danzmann

Fotoreportage über Prof. Dr. Karsten Danzmann im Albert Einstein Institut Hannover
(Foto: Frank Vinken)

Gravitationsphysiker, Mitbegründer einer neuen Ära in der Astronomie.

Von Marlene Weiss

Der Zufall kann grausam sein, damit kennt Karsten Danzmann sich aus. Wenn man ihm und seinen Mitarbeitern in den Neunzigerjahren nicht plötzlich das Geld verweigert hätte, dann hätten sie ihren kilometerlangen Gravitationswellen-Detektor in Deutschland bauen können. Stattdessen errichteten andere zwei riesige Anlagen namens Ligo in den USA. "Ligo hätte auch in der Lüneburger Heide stehen können, wir waren damals genauso weit wie die Amerikaner", sagt der Physiker. Aber wenn die Raumzeit wieder mal wackelt, dann wird das heute in den USA registriert. Der Physik-Nobelpreis dafür geht an die dortigen Kollegen, und auch für Sensationen wie die erste Messung einer Neutronenstern-Kollision, die am Montag bekannt wurde, ernten andere den größten Ruhm.

Der 62-jährige Danzmann, Direktor am Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik in Hannover, ist trotzdem eine zentrale Figur in der Erforschung von Gravitationswellen geworden. Sein Name steht auf jeder Veröffentlichung des internationalen Ligo-Teams, zu dem auch die Gruppe in Hannover gehört, die er über die Jahrzehnte aufgebaut hat. An dem kleinen Detektor namens Geo 600, den Danzmanns Team schließlich baute, wurden fast alle Technologien entwickelt, denen die großen Exemplare in den USA heute ihre erstaunliche Empfindlichkeit verdanken. "Es hat auch Vorteile, wenn man arm ist, man kann mehr ausprobieren", sagt Danzmann.

Auch große Teile der Datenanalyse finden in Hannover statt. Und als am 17. August zum fünften Mal eine Gravitationswelle registriert wurde, waren es Wissenschaftler aus Danzmanns Team, die das verrauschte Signal aus den USA filterten. Erst dadurch konnte der Ursprungsort der Welle genau bestimmt werden, sodass Teleskope in aller Welt in der entsprechenden Richtung suchen konnten - und fündig wurden. Erstmals konnte so der Todestanz zweier Neutronensterne direkt beobachtet werden. Im Zusammenprall senden die mysteriösen Winzlinge von enormer Dichte explosionsartig Materie und Strahlung ins All. Die Messung gilt als der Beginn einer neuen Ära in der Astronomie, in der Forscher neben Lichtwellen auch Gravitationssignale nutzen: Künftig können sie in die dunklen Tiefen des Alls hineinhorchen.

Noch weit besser dürfte das funktionieren, wenn um 2030 der Weltraum-Gravitationswellendetektor Lisa startet, den Danzmann mit entwickelt. Er hofft, dann immerhin noch als Elder Statesman dabei zu sein: "Das wird auch schön. Ich sage dann immer: 'Zu meiner Zeit hätten wir das aber anders gemacht.'" Die drei Lisa-Sonden könnten weitere sensationelle Entdeckungen machen, vor allem, was Signale aus der Anfangszeit des Universums angeht. Was genau das sein wird, ist völlig offen. Auch mit den Neutronensternen hatte ja niemand so schnell gerechnet; wenn die Kollision sich nicht so nah ereignet hätte, hätte es nicht geklappt. Alles in allem hat Danzmann mit dem Zufall dann doch ganz gute Erfahrungen gemacht.

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