Profil:Jürgen Trittin

Ehemalige und jetzige niedersächsische Kabinettsmitglieder

Jürgen Trittin, einstiger Grünen-Anführer auf dem Weg zum "elder statesman".

(Foto: Holger Hollemann/dpa)

Einstiger Grünen-Anführer auf dem Weg zum "elder statesman".

Von Michael Bauchmüller

Das hat er nun davon. Als Partei-Linker in Niedersachsen kämpfte er auf der Straße gegen die Atomkraft, als Umweltminister einer rot-grünen Koalition unterschrieb er einen Ausstiegsvertrag, als Oppositionsführer im Bundestag hob er die Hand für die schwarz-gelbe Atomwende nach Fukushima - und jetzt das: Jürgen Trittin, 61, wird Kopf einer Kommission, die sich mit der Finanzierung des Atomausstiegs befassen soll. Der Grünen-Politiker regelt sein Erbe.

Es ist die bittere Seite des Ausstiegs. Peu à peu gehen nun die deutschen Kernkraftwerke vom Netz, ihre Betreiber haben hoch und heilig versprochen, für die Abwicklung geradezustehen: für den Abriss der Kernkraftwerke und die Entsorgung ihres strahlenden Inventars. Nur geht es den mächtigen Atomkonzernen von einst nicht mehr so gut, seit die Öko-Konkurrenz boomt und stillgelegte Reaktoren nichts mehr abwerfen. Jetzt, wo die Altlast näher rückt, ist die Substanz geschrumpft.

Wie sich die Milliarden sichern lassen, das soll nun eine Kommission ersinnen. Das Kabinett hat sie am Mittwoch eingesetzt, alle sind dabei: Umweltschützer und Industrie, Kirchen und Politik. Und Trittin an der Spitze, zusammen mit dem einstigen Hamburger Bürgermeister Ole von Beust und Matthias Platzeck, ehedem Ministerpräsident Brandenburgs. Drei Ehemalige auf der Suche nach neuen Rollen.

Bei keinem der drei ist das so mit Händen zu greifen wie bei Trittin. 2013, nach durchwachsenem Wahlkampf mit miesem Resultat, trat er von der Fraktionsspitze der Grünen zurück. Nach Jahren in wichtigen Funktionen, als Landes- und Bundesminister, als Parteichef und Spitzenkandidat zweier Wahlkämpfe, war das für ihn und die Partei ein Einschnitt. In den jüngsten Führungsdebatten der Grünen schwang der Name Trittin danach lange mit - stets verbunden mit der Frage: Kommt er zurück? Mancher Führungsfigur wurde ganz flau bei dem Gedanken.

Stattdessen erklimmt Trittin nun das weite Reich der Elder Statesmen, als konsensorientierter Leiter einer Regierungskommission. Das passt zu dem pragmatischen Ton, den er in jüngerer Zeit angeschlagen hat - selbst gegenüber jenen Industrien, mit denen er einst über Kreuz lag. Es gehe darum, "abzuarbeiten, was damals liegen geblieben ist", sagt er.

Denn schon zu Zeiten des rot-grünen Atomausstiegs gab es leise Zweifel, ob die Konzerne den Ausstieg komplett würden stemmen können. Bis heute wollen die Grünen einen Fonds, der die Mittel verwaltet. Schließlich fallen einige der Kosten, etwa für den Bau eines Endlagers, erst in Jahrzehnten an - keiner weiß, ob die Atomfirmen so lange durchhalten. Stattdessen stehen nun 38 Milliarden Euro in den Bilanzen kriselnder Unternehmen. "Das wird ein Kunststück", sagt der Pragmatiker Trittin. "Wir müssen das Geld für die Steuerzahler sichern, ohne die Unternehmen dabei über die Klinge springen zu lassen." Letzteres hätte ihm früher weniger Sorgen bereitet.

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