Profil:Jens Weidmann

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(Foto: Alberto Pizzoli/AFP)

Bundesbank-Chef und möglicher Nachfolger von Mario Draghi.

Von Ulrich Schäfer

Jens Weidmann ist der jüngste Präsident, den die Bundesbank je hatte: Als der Volkswirt sein Amt vor sechs Jahren antrat, war er gerade 43 Jahre alt. Nun gibt es Bestrebungen der Bundesregierung, ihn in zwei Jahren zum jüngsten Präsidenten der Europäischen Zentralbank zu machen, mit dann 51 Jahren. Notenbank-Präsidenten sind normalerweise ein gutes Stück älter, wenn sie berufen werden: Der jetzige EZB-Chef, der Italiener Mario Draghi, war 64; seine Vorgänger, der Niederländer Wim Duisenberg, 62, und der Franzose Jean-Claude Trichet, 60, befanden sich auch schon im siebten Lebensjahrzehnt.

Ein Deutscher an der Spitze der EZB: Diese Idee taucht nicht zufällig gerade jetzt auf. Zwei Anlässe gibt es dafür. Der eine: Emmanuel Macron. Der neue französische Präsident dringt darauf, die europäische Wirtschafts- und Finanzpolitik neu zu ordnen, er wünscht sich mehr Flexibilität bei den Schuldenregeln, mehr Investitionen der öffentlichen Hand, dazu einen Euro-Finanzminister. Angela Merkel und Wolfgang Schäuble wissen: Sie müssen Macron entgegenkommen, wenn sie nicht dessen Zukunft gefährden wollen - und damit die Zukunft Europas. Aber Macron (und die anderen Euro-Staaten, die ähnlich denken) werden dafür einen Preis bezahlen müssen. Einer könnte lauten: Weidmann.

Der zweite Anlass: die AfD. Die rechtspopulistische Partei ist dadurch groß geworden, dass sie den Euro kritisiert hat. Auch aus diesem Grund ist sie im Bundestagswahlkampf eine Gefahr für die Union. Denn in den konservativen Kreisen, die CDU und CSU nahestehen, gibt es viele Euro-Skeptiker. Weidmann ist für sie der letzte Rettungsanker. Als Bundesbank-Chef stieg er zum Gegenspieler von Mario Draghi auf, zum Kritiker der lockeren Geldpolitik der EZB. Dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe diente Weidmann sogar als wichtigster Kronzeuge, um das Urteil gegen die milliardenschwere Rettungspolitik der EZB zu begründen.

Weidmann, der Stabilitätsapostel. So sehen es viele. Andererseits: Weidmann vertritt damit eine Linie, für die die Bundesbank und ihre stabilitätsorientierten Volkswirte schon immer standen. Zuvor, als Leiter der Abteilung Wirtschaftspolitik im Kanzleramt, hatte er von 2006 bis 2011 eine deutlich pragmatischere Linie vertreten und während der Finanzkrise federführend an der Rettungspolitik der Regierung Merkel mitgewirkt, milliardenschwere Konjunkturprogramme inklusive.

Weidmann hat sich auch deshalb gegen Draghi positioniert, weil es ja sonst niemanden mit so viel Einfluss gab, der das hätte tun können. Als EZB-Chef dagegen wäre er nicht deutschen Interessen verpflichtet, sondern der gesamten Euro-Zone. Ob das die anderen Staaten, die ihn nominieren müssen, auch so sehen, ist fraglich; sie dürften skeptisch sein. Um eine Mehrheit für ihn zu erhalten, würden Merkel und Schäuble daher hart kämpfen müssen. Und das heißt: Sie müssten viele Kompromisse eingehen.

© SZ vom 23.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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